Unsere Luxusherberge verlassen wir duftend, rasiert und mit frisch gewaschenen Klamotten im Gepäck – na klar – Richtung Osten. Jens, der vor ziemlich genau einem Jahr auch schon hier durchgekommen ist, hat uns noch ein paar Tipps gegeben, u.a. ein nettes Hostel in Kungur. Weit ists ja nicht da hin, aber bei dem immer noch mäßigen Wetter müssen wir ja auch nicht unbedingt die Kilometer runterprügeln. Die Nebenstraße ist immernoch schön und recht wenig befahren, so dass wir die Fahrt richtig genießen können. Die großen Landstraßen, auf denen wir doch meistens unterwegs sind, verlangen halt volle Konzentration auf den Verkehr, sonst könnte es manchmal knapp werden.
In Jekaterinburg treffen wir uns mit Birgit und Ralf, die wir über die China-Transit-Facebook Gruppe kennengelernt haben, wir werden die nächsten paar Tage zusammen weiterfahren.
Jetzt sind wir also in Asien, sieht irgendwie gar nicht anders aus. Wieder geht es über kleinere, aber immer noch erstaunlich gute Straßen nach Irbit, wo das Ural- (Motorräder, nicht Gebirge) Museum auf uns wartet. Da das Wetter leider immernoch nicht so mitspielt, wie wir das bestellt hatten, suchen wir uns eine Ferienwohnung mit Kamin raus. Nur – so leicht ist die nicht zu finden. An den angegebenen Koordinaten sind wir von teils verfallenden teils noch benutzten Fabrikhallen umgeben. Die Bilder der Ferienwohnung hatten aber eher wie von einer kleinen Hütte gewirkt, hm. Nach ein paar Minuten Ratlosigkeit winkt uns aber eine Frau zu und kündigt an, dass der Chef gleich kommt. Und tatsächlich: er führt uns durch ein Tor zu einer unscheinbaren Hintertür in einer verfallen wirkenden Fabrikhalle, hinter der sich dann unsere 2 Etagen-Ferienwohnung versteckt. Diesmal außen pfui und innen hui 🙂
Dank Birgits hervorragend ausgestatteter Gewürzkiste zaubern wir uns ein leckeres Mahl und genießen das Kaminfeuer.
Das Ural-Museum nehmen wir am nächsten Morgen noch mit – wobei „Morgen“ vielleicht nicht mehr ganz angebracht ist, ausschlafen und dann gemütlich weiter machen hat einfach was für sich. Durch das überraschend kleine Museum sind wir fix durch, als uns der Kassierer erklärt, dass es noch eine 2. Abteilung (vmtl. das Übergangs Depot bis zum geplanten Neubau) gibt, für die wir allerdings nochmal Eintritt zahlen müssten. Den zweiten Standort schenken wir uns dann aber, da dort dann eh auch noch Foto-Verbot besteht.
Offensichtlich haben wir den Ural hinter uns gelassen, hab ich kaum bemerkt. Langsam aber sicher bessert sich das Wetter endlich und wir können unsere Heizgriffe mal wieder ausschalten. Ohne diese neue Errungenschaft von Coolride wären die letzten Fahrtage schier unerträglich geworden. So haben wir uns wenigstens die Erfrierungen an den Fingern erspart, auch wenns überall sonst ordentlich gezogen hat. Mehr Lagen hätten beim besten Willen nicht unter die Moppedklamotten gepasst.
Nach einem kleinen Rückschlag haben wir die Kalt- und Regenfront endlich hinter uns, wir können wieder zelten. In der sibirischen Sumpfebene ist das aber nicht immer angenehm. Auch unter trocken aussehenden Wiesen verbirgt sich tiefer Schlamm, selbst in etwas höher gelegenen Gebieten. Kaum steigen die Temperaturen, kriechen auch die Mücken wieder aus ihren Löchern, so dass die Zeit zwischen Ankommen und Ende der Dämmerung reichlich unangenehm wird. Und die Dämmerung dauert LANG! Erst nach Mitternacht ist es richtig dunkel. Dafür wird es um 3 Uhr langsam schon wieder hell!
Wir haben uns dem russischen Fahrstil inzwischen ganz gut angepasst und überholen überall, wo es grad geht. Nur an die Überholverbote halten sich die meisten Russen und jetzt krieg ich auch leider mit, warum. Axel ist schon n bissle weiter vorn und ich erkenn eine Möglichkeit, 2 Laster auf einmal zu überholen, Birgit und Ralf gleich hinterher. Was ich nur nicht so auf dem Schirm hatte, ist die Kreuzung, auf die wir zu fahren. Bis wir es an den 2 Lastern vorbei geschafft haben, sind wir schon mitten drauf. Leider steht dort auch ein Polizeiposten, der uns gleich mal rauswinkt. Nur Ralf düst davon. So stehen Birgit und ich dann vor einem erzürnten Beamten, der erstmal unsere Dokumente sehen will und uns dann anbrüllt, was das eigentlich gerade sollte. Offensichtlich haben wir an einer doppelten durchgezogenen Linie überholt, was automatisch zur Todesstrafe führt. Ich versteh zwar das meiste, was er mir sagen will, ich ziehe aber vor, die blöde Touristin zu spielen, die kein Wort versteht, Englisch kann der Polizist sicher nicht. Und wirklich, nach einer halben Stunde mit Bild-Erklärungen, was wir falsch gemacht haben (hätte einen Russen 4-6 Monate den Führerschein gekostet!), dürfen wir mit dem Versprechen, dass wir sowas NIE NIE wieder machen, weiterziehen.
Puh, nochmal Glück gehabt 🙂
Hinter Novosibirsk wird die Landschaft wieder interessanter: nette Hügel, grüne Wiesen und ein paar Wälder, man könnte meinen, man fährt durchs Voralpenland. Trotzdem nerven mich allmählich die langen und fahrerisch nicht besonders reizvollen Etappen, sowas fährt man auf dem Motorrad sonst nur auf der Anreise zu einem schöneren Ziel. Gut – auch wir sind quasi auf der Anreise in die Mongolei, aber inzwischen halt seit knapp 5 Wochen, jetzt würds mir allmählich mal reichen. Wir beschließen einen Gang runter zu schalten. Birgit und Ralf möchten aber lieber noch n bisschen Strecke machen, sie sind schon spät dran und haben sonst zu wenig Zeit für Usbekistan. Daher trennen wir uns erstmal wieder auf, wir werden uns ja dann spätestens an der Grenze zu China wiedersehen.