Okt 122018
 

Der morgendliche Wettercheck zeigt ein besseres Bild als gestern noch, also beschließen wir spontan, doch gleich Richtung Deosai NP aufzubrechen. So schön ist Skardu auch wieder nicht. Obwohl die Stadt eigentlich nicht wirklich groß ist, nervt der Stau auf der Hauptstraße. Jeder bleibt da stehen, wo es ihm gerade einfällt, jede noch so kleine Lücke wird sofort zugestopft, egal ob es dadurch für einen selber weitergeht oder nicht, Hauptsache, es kann niemand sonst fahren. Wir versuchen es mit einigen kleineren Gässchen und irgendwann sind wir tatsächlich raus aus dem Getümmel. Erstmal geht es noch geteert in ein nettes Tal, nach dem Checkpoint am Nationalpark-Eingang wird es aber bald holprig. In Skardu war es noch schön warm, aber jetzt müssen wir erstmal mehr Lagen anziehen.

Immerhin ist der erste Pass im Nationalpark schon knapp über 4100m hoch. Auf dieser Höhe bleiben wir auch, der Großteil des Deosai Nationalparks liegt auf der zweithöchsten Hochebene der Welt. Diese ist von einigen 5- und 6 Tausendern umgeben, die nach dem gestrigen Schneefall leicht überzuckert sind. Wir freuen uns mal wieder über unsere Griffheizung und tuckern bei bewölktem Himmel maximal im 2. Gang über die einsame Piste. Bei Sonnenschein wäre der Ausblick bestimmt grandios, aber auch die dunklen Wolken erzeugen ein stimmungsvolles Bild. So stell ich mir irgendwie auch die schottischen Highlands vor, es ist karg, zwischen den Felsblöcken wächst außer kurzen Grasbüscheln nichts. Ich muss mich allerdings meistens auf den Weg konzentrieren, um nicht von den großen Steinen oder von der nächsten Matschpfütze umgeworfen zu werden. Wir hatten uns überlegt, hier oben auf einem der ausgewiesenen „Campingplätze“ zu übernachten, aber ohne Sonne und bei eisigem Wind erscheint uns das jetzt nicht mehr so erstrebenswert. Die Camps bestehen aus wenig mehr als einem mit Steinen markierten Areal und einem Plumpsklo und sind für uns daher eh wenig attraktiv. Wild Zelten ist im Park verboten, an beliebten Plätzen sollen auch schonmal Braunbären die Vorräte geplündert haben. Zum Glück sind wir früh genug aufgebrochen und selbst mehrere Wasserdurchfahrten können uns nicht zu lang aufhalten. Eine davon bringt uns dann aber doch aus dem Tritt: auf gut 100 Metern verläuft die Piste eigentlich im Bach, große rutschige Steine machen das Durchkommen fast unmöglich. Und schon passiert das Unglaubliche: Nachdem Axel mitten im Bach erstmal angehalten hat, da es ihm zu rumpelig geworden ist, schmeißt er sein Mopped beim Versuch wieder anzufahren auf die Seite. Zur Belohnung darf er dann mein Mopped auch noch aus dem Bach fahren, wenn es ihn schon schmeißt, trau ich mich auch nicht mehr. Nur wenige Kilometer weiter will er auf einen Aussichtsparkplatz abbiegen und erwischt in Schräglage eine rutschige Pfütze und schon wieder liegt er! Dass ich das noch erleben darf, dass es Axel an einem Tag zweimal umwirft, wo er es doch sonst durch alle Schwierigkeiten ohne erkennbare Mühe durch schafft und ich immer rumweinen muss.

Die Schadenfreude wird auch sofort bestraft, keine 5 Minuten später fängt es an zu schneien, nach unserem Stopp am Parkplatz ist die Griffheizung komplett ausgekühlt und uns frieren die Finger ab. Zum Glück ist die Hochebene hier zu Ende und die Straße abwärts ist wieder geteert. So kommen wir relativ schnell aus der Schneewolke raus und nach einigen Kehren runter ins Astore Valley wird es auch wieder deutlich wärmer. Die Ranger am Parkausgang schmeißen sogar noch schnell ihren Benzinkocher an, damit wir uns daran die Hände aufwärmen können, während sie – mal wieder – schön langsam unsere Passdaten in ihr Besucherbuch eintragen. Eigentlich würden wir jetzt gerne irgendwo ein Plätzchen zum Übernachten finden, egal ob im Zelt oder in einem Guesthouse, aber es kommt nichts, was uns so richtig anmacht. So fahren wir immer weiter bis auch das letzte bisschen Licht weg ist. Die Funzeln an unseren Moppeds erreichen kaum die Straße, so dass wir dann doch das erstbeste Guesthouse nehmen, das uns über den Weg läuft. Sauber ist anders und günstig ist es auch nicht, aber immerhin bekommen wir noch ein leckeres Abendessen bevor wir erschöpft ins Bett fallen.

Das Tal ist bei Sonnenschein am nächsten Morgen zwar wirklich schön, aber es zieht sich ewig bis wir wieder auf dem Karakorum Highway rauskommen. Immer wieder ist die Teerdecke durch Felsstürze zerstört, außerdem schlängelt sich die schmale Straße in Millionen Kurven an steilen Felshängen entlang. Wieder am KKH parken am Straßenrand zig Jeeps. Aha, haben wir also den Startpunkt der Jeeptouren zu den Fairy Meadows erreicht: Das Base Camp des Nangar Parbat ist zumindest auf den Bildern im Internet zwar wunderschön, die Straße dort hin aber abenteuerlich, schmal und extrem steil, man darf privat dort nicht hinfahren, nichtmal mit dem Motorrad. Nur mit einer gebuchten Jeeptour ist die Anfahrt möglich, die letzten paar Kilometer gehen nur noch zu Fuß. Das lassen wir schön bleiben und biegen lieber ab Richtung Babusar-Pass. Ein letztes Mal müssen wir unser Gilgit-Baltistan-Besucherkärtle herzeigen, jetzt verlassen wir offiziell diese nördliche Provinz mit ihren vielen Polizei-Checkpoints. Die Polizisten waren zwar immer freundlich, aber die oft langwierige Abschreiberei unserer Passdaten hat dann doch irgendwann genervt. Angeblich dienen die Checkposten ja u.a. der Sicherheit der Reisenden, ich habe mich aber immer viel sicherer gefühlt, wenn grad keine Polizisten mit Maschinengewehren in der Nähe waren…

Der Babusar Pass hat noch vor ein paar Jahren zu den schwierigsten Strecken in der Gegend gehört, ist aber jetzt frisch 2-spurig ausgebaut, geteert und kurventechnisch ein Motorradfahrertraum! Wir versäumen vor lauter Fahren fast, Fotos zu machen und schwuppdiwupp sind wir schon auf der anderen Seite. Auf nicht mehr ganz so taufrischer Straße kommen wir wieder in tiefere Regionen. Die jetzt häufig zu sehenden Zeltlager am Straßenrand lassen die Region ärmlich erscheinen, oft ist noch ein UNHCR Aufdruck auf den Zelten zu sehen. Ob das noch Überbleibsel von Notunterkünften nach dem verheerenden Erdbeben 2005 in Kaschmir sind?

Diese Strecke hat sich aber auf jeden Fall gelohnt, abgesehen von den hübschen Ausblicken vermeiden wir so auch die Polizei-Eskorten auf dem KKH, die uns sonst geblüht hätten. Auf rund 300km mussten andere Reisende hinter bewaffneten Polizisten herfahren, mal langsam schleichend, mal mit halsbrecherischem Tempo, je nach Laune des Führers. Der KKH verläuft hier durch ein Gebiet, in dem es noch aktive Terrorgruppen gibt, daher will die pakistanische Regierung lieber nichts riskieren. Wobei – mit einer Polizei-Eskorte könnte man sich doch eigentlich auch gleich ein Fadenkreuz auf die Stirn malen, gleich unter dem Neon-Schild „ausländischer Tourist – lohnendes Opfer!“

Jetzt müssen wir uns entscheiden: Fahren wir die Hauptstraße über Abottabad nach Islamabad mit sicherlich üblem Verkehr, oder nehmen wir eine kleinere Straße durch einen zwischen Indien und Pakistan umstrittenen Teil Kaschmirs, für die wir ein Permit bräuchten? Wir wissen nicht genau, wo wir das Permit bekommen können und wie lang die Ausstellung dauern würde. Zum Glück treffen wir beim Mittagessen einen Exil-Pakistani aus London, der uns einen tollen Alternativ-Tipp gibt: In Abottabad zweigt eine kleine kurvenreiche Straße ab, die durch einen Nationalpark nach Murree führt und so können wir die nervige Hauptstraße größtenteils vermeiden. Als wäre der gute Tipp nicht genug, lädt er uns auch noch zu unserem Mittagessen ein und schenkt uns zum Abschied noch einige Mangos, die er und seine Kindheitsfreunde dabei haben. So ging es uns hier in Pakistan schon öfter, die Gastfreundschaft ist einfach toll. Den Leuten ist es sehr wichtig, dass wir als Ausländer ein gutes und freundliches Bild ihres Landes mit nach Hause nehmen.

Erst erwischen wir noch ein tolles Sträßchen, dann landen wir aber doch in der Verkehrshölle. Rund 15km vor Abottabad geht es plötzlich los, nach dem relativ moderaten Verkehr im Norden werden wir quasi überrannt. Von überall her kommen LKWs, Autos und Moppeds, die LKWs überholen zu dritt nebeneinander, selbst bei Gegenverkehr, die Hupen im Dauerbetrieb. Wenn dadurch mal wieder irgendwo ein unlösbarer Knoten entsteht, staut es sich auf Kilometern in beide Richtungen. Mir wird es fast sofort zu viel, aber es hilft nichts, wir müssen da ja durch. Und passives Verhalten würde hier nur zu absolutem Stillstand führen. So drängeln und schubsen wir uns irgendwie durch, Axel etwas erfolgreicher als ich, ab und zu wartet er dann am Straßenrand bis ich es auch geschafft hab. Irgendwie überleben wir das Ganze, in Abottabad finden wir eine neue SIM-Karte (die bisherige funktioniert nur in Gilgit-Baltistan) und verlassen die Stadt auf dem schnellsten Weg. Es ist zwar schon recht spät, wir hoffen aber, am Stadtrand noch eine Unterkunft zu finden. Ein paar Kilometer dauert es zwar noch, aber dann finden wir kurz vor Sonnenuntergang doch noch eine Bleibe. Sie übersteigt unser normales Übernachtungsbudget zwar deutlich, dafür bekommen wir das Deluxe-Zimmer mit Klimaanlage und Balkon und einen Parkplatz in der „Conference-Hall“. Am Pakora-Stand gegenüber gibts es noch ein leckeres Abendessen, das wir mal wieder nicht bezahlen dürfen, diesmal lädt uns der Standbesitzer selber zum Essen ein.

Ein bisschen Horror vor dem Verkehr um Islamabad und bis nach Lahore haben wir schon, aber erstmal können wir die sehr hübsche Strecke bis nach Murree genießen. Die Straße schlängelt sich an Berghängen entlang durch einen Wald, wir sind wieder auf über 1500m, daher ist auch die Temperatur sehr angenehm. Zum ersten Mal sehen wir Affen am Straßenrand, also halten wir an und teilen eine unserer Mangos mit ihnen. Die frecheren unter den Äffchen wollen sich mit unseren abgenagten Schalen nicht begnügen, werden aber durch den Chef der Truppe gemaßregelt.

Kurz vor Islamabad treffen wir dann auf die autobahnähnlich ausgebaute Hauptstraße und sind erstmal baff: die Straße ist fast leer! Dieser Zustand hält zwar nicht lang, aber auch als etwas mehr los ist, kommen wir gut durch. Nach deutschen Vorstellungen ist der Verkehr zwar etwas chaotisch, es wird links und rechts überholt, gerne mal auch auf dem Standstreifen. Aber sobald man sich daran gewöhnt hat, ist es eigentlich ganz nett, sich an keinerlei Verkehrsregeln halten zu müssen. Da wir recht früh dran sind und es uns nicht wirklich in eine Großstadt zieht, lassen wir Islamabad links liegen und setzen uns auf die Grand Trunk Road gen Lahore.

Auch auf dieser Straße kommen wir super durch, zum Glück, bei gut 35° im Stau stehen würde nicht wirklich Spaß machen. Als Ziel für den Abend setzen wir uns ein Fort namens Rohtas, das dann auch recht nett und vor allem riesig ist, im Inneren befindet sich ein kleines Dorf. Nur leider sucht man hier eine Unterkunft vergeblich, also müssen wir doch noch ein paar Kilometer weiter bis wir am Straßenrand auf ein Hotel stoßen. Im Zimmer gibt es glücklicherweise eine Klimaanlage, im restlichen Gebäude ist Sauna angesagt. Ich freu mich, als ich auf der Speisekarte Pizza entdecke. So lecker das pakistanische Essen ist, hab ich doch mal wieder Lust auf was anderes. Nur leider wird die Pizza hier keine Preise gewinnen.

Bis Lahore ist es dann nicht mehr weit, die Straße ist noch leerer als gestern. Wie wir später erfahren, ist heute ein hoher Feiertag, so dass wir selbst bis ins Zentrum ohne einen einzigen Stau durchfahren können. Normalerweise müssen sonst schon 15km vor der Stadt die LKWs und Autos Stoßstange an Stoßstange kleben. Das Hotel, das wir auf Booking rausgesucht, aber noch nicht gebucht hatten, macht erstmal Zicken mit dem Zimmerpreis. Also buchen wir vor der Tür doch noch übers Internet, muss der wohl nicht so helle Hotelbetreiber halt die Provision abdrücken. Nach einem Essen- und Milchshake-Bummel wollen wir uns noch mit 3 Leidensgenossen aus China auf ein Bierchen treffen. Der Alkoholverkauf ist in Pakistan streng reglementiert, nur in wenigen lizensierten Shops und ein paar internationalen Hotels wird er ausgeschenkt. Als wir in unserer Riksha vor dem Hotel ankommen, klappt uns erstmal der Kiefer runter. 5 Sterne werden hier wohl nicht reichen, der Eingang ist gesichert wie in Fort Knox. Auch innen herrscht Luxus pur, ich fühl mich sofort mega unwohl, aber jetzt sind wir halt schonmal da. In der gut versteckten Bar gönnen wir uns dann nach Wochen das erste Bier, bei den Preisen belassen wir es aber bei dem einen. Ab morgen sind wir in Indien, da können wir wieder so viel trinken, wie wir wollen. Nur knapp 2 Wochen haben wir jetzt in Pakistan verbracht, aber es war eine tolle Zeit! Würde es uns nicht Richtung Ladakh ziehen, damit wir dort noch vor dem Winter durchkommen, wären wir auch gern noch etwas länger hier geblieben. Die Landschaft im Norden ist einfach nur grandios und die Menschen sind mehr als gastfreundlich!

  4 Antworten zu “Pakistan – vom Deosai NP bis Lahore”

  1. Hallo Suse und Axel, ich lese Euren Blog mit und hoffe, es geht Euch weiterhin gut und Ihr übersteht all die Strapazen. LG, Tilly

  2. Ihr seid echt so krass, in einem Moment Schneesturm und dann wieder 35 Grad… wie geht’s Euch denn da gesundheitlich so ? Mir scheint diese Reise noch viel abenteuerlicher zu sein als Eure Südamerika-Tour. Ich hoffe, Ihr könnt es genießen und bleibt weiterhin wohlbehalten.

    • Ham erst 2x n Pause gemacht wegen „Erkältung“, allerdings is die erst vergangen als wir dann weitergefahren sind. Pausen sind scheinbar ungesund. Strecken sind einige anspruchsvoller als in Südamerika, aber wir ham ja jetzt auch schon viel mehr Übung

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