Sep 142018
 

Jetzt sind wir in Toktogul, eigentlich wollte ich hier gar nicht hin, aber erst hat Georg und dann die glorreiche kirgisische Beschilderung unsere geplante Route durcheinander gebracht. Wär schon geschickter, erst die Straße und dann das Schild zu bauen und nicht anders rum. Wir sind auch schon an Universitäten vorbei gekommen, also besser gesagt an halb verrosteten Schildern die auf eine grüne Wiese zeigen, auf der wohl irgend wann mal was gebaut werden soll.

Wohin als nächstes? Nach Kazarman zurück um dann über meinen kirgisischen Lieblingspass zu fahren? Maps.me kennt da zwar eine Straße durchs Gebirge, aber ob es die wirklich gibt und in welchem Zustand sie dann ist? Nochmal sollten wir unser Glück nicht gleich wieder herausfordern! Gleich nach Süden? Dafür sind wir zu früh dran und im Fergana Tal ist es auch viel zu heiß. Dann bleibt eigentlich nur noch der Westen übrig. Zuerst also nach Sary Chelek, dem kirgisischen Äquivalent zum Bayrischen Königssee und ähnlich beliebt bei einheimischen Ausflüglern. Die Strecke hin ist nicht all zu schwierig, zieht sich aber und so stehen wir erst kurz vor 6 am Eingangstor, wo der Wächter uns aber nicht weiter lassen will. Erst morgen wieder geöffnet, erklärt er uns. Wir wollen aber oben am See zelten und nicht in einer der Unterkünfte entlang der staubigen Zufahrtsstraße übernachten. Irgendwann hat er dann doch Erbarmen. Er hat als „Nachtwächter“ zwar keinen Quittungsdrucker, sucht uns aber passende alte Eintrittskarten raus und wir dürfen doch noch weiter.

Nach wenigen Kilometern wird die „Straße“ dann doch noch „interessant“ und schlängelt sich holprig bergauf und so brauchen wir fast noch mal eine Stunde für die letzten paar Kilometer bevor wir endlich den See erreichen. Camping am Ufer ist hier aber leider nirgends möglich. Lediglich in der kleinen umzäunten Picknickzone neben dem Parkplatz ist es erlaubt Zelte aufzustellen. Dafür müssen wir nochmal 500 Som berappen, pro Zelt dafür für beliebig viel Nächte. Wir sind mal wieder schnell im Mittelpunkt und alle wollen Selfies mit uns machen. Auf Dauer ganz schön lästig. Aber wie schon so oft haben wir wieder nette Nachbarn, die uns mit allerlei Leckereien und sogar einem Schälchen Essen verköstigen. Auch von Selfi Fotografen bekommen wir Brot und ranziges Butterschmlaz geschenkt, „eine ganz besonders leckere Spezialität“, wie uns unser Camping-Nachbar versichert, dem wir zum Abschied dann diese Spezialität weiter verschenken 😉
Am nächsten Tag ist dann erst mal Wandern angesagt und so machen wir uns auf die Suche nach den anderen Seen, die hier irgendwo sein müssen.


Zwei Tage haben wir schon rum, aber immer noch zwei Wochen Zeit bis wir an der chinesischen Grenze stehen müssen. Also noch eine Runde durch den Westen und nach Talas. Über diese Region finden wir so gut wie keine Informationen, nichts über den Straßenzustand und nur wenig, nicht allzu gutes zu den beiden Pässen. Wir tanken also nochmal voll, bunkern Vorräte und Wasser und machen uns auf den Weg. Dieser kleine Umweg ist immerhin tausend Kilometer lang, mindestens die Hälfte ungeteert und für mehr als drei Tage können wir kein Wasser mitnehmen. Bei diesen ganzen extra Runden hätten wir unsere Reifen vielleicht doch noch nicht in Bishkek wechseln sollen. Erstmal geht es direkt an der usbekischen Grenze entlang. Nach dem Zerfall der Sowjetunion musste sich Kirgistan hier erstmal neue Straßen bauen, da die kürzesten Verbindungen seitdem im Ausland verlaufen und so ganze Regionen abgeschnitten waren. So wie die Leute am Straßenrand schauen kommen hier tatsächlich nicht allzu oft Touristen auf Motorrädern vorbei und je weiter wir den dunklen Wolken am Horizont entgegen fahren, desto mehr zweifeln wir, ob wir die kommenden Pässe bewältigen können. Der Regen fällt jedoch kurz aus und den ersten Pass schaffen wir noch am ersten Tag.

Einen passenden Zeltplatz zu finden gestaltet sich allerdings ungewöhnlich schwierig. Wir sind aber auch verwöhnt und wollen was windgeschütztes mit Abendsonne, Spülwasser und schöner Aussicht.

Kurz vor Sonnenuntergang machen wir es uns dann hinter einem verlassenen Häuschen gemütlich und verlegen nach kurzer Zeit unser „Gute-Abend-Feuer“ vom Aussichtspunkt an eine windgeschütztere Stelle hinterm Haus. Immer wieder erstaunlich wie hier die Winde nach Sonnenuntergang drehen oder erst entstehen.
Die restliche Strecke nach Talas ist „ganz nett“. Der zweite Pass dann etwas anspruchsvoller als der erste, aber immer noch kein Problem. Gegen Ende zieht es sich dann ein bisschen und zur Belohnung gönnen wir uns wieder ein CBT Homestay, das wir allerdings lange nicht finden, da es ganz hinten, im letzten Winkel einer etwas dubiosen Gasse, im hintersten Winkel der Stadt liegt und wie üblich nichts am Zaun steht.

Kaum 4 1/2 Tage nach dem ersten Mal sind wir schon wieder in Toktogul, fahren allerdings diesmal noch etwas weiter. So toll war das Wohnzimmer in dem Guesthouse auch nicht und von meinen overcross Touren weiß ich da noch einen netten Platz an einem Stausee. Bis dorthin schaffen wir es allerdings dann doch nicht mehr und finden, mal wieder kurz vor Sonnenuntergang, einen ganz passablen Platz zwischen Straße und Fluss.

Zeit schinden war nichts. Wir sind immer noch zu früh. Kurzerhand verabreden wir uns mit Birgit und Ralph in Arslan Bob. Einem kleinen Dorf am Rande des weltgrößten Walnuss-Waldes. Ebenfalls ein beliebtes Ausflugsziel. Zum einen gibt es Bäume, was relativ selten ist in Kirgistan, zum anderen zwei Wasserfälle.
Nach einem kurzen Bummel über den Markt laufen wir erst zum kleinen der Wasserfälle und brauchen dann den kompletten Handy-Restakku auf, um den Panoramapfad zu finden. Ausgeschildert ist hier echt gar nichts, aber einen Guide zum spazieren gehen mieten ist dann doch etwas übertrieben.

 
Da wir langsam mal wieder etwas Ruhebedürfnis haben ziehen wir doch jetzt schon weiter nach Osh. Da booking.com uns mal wieder geärgert hat, wird es nichts mit der zuerst gefundenen Ferienwohnung. Erst fette Last-Minute- und Genius-Rabatte versprechen und dann so lange „Local Taxes“ draufschlagen bis doch der Ursprungspreis erreicht ist, will ich mir nicht gefallen lassen und suche so lange auf anderen Plattformen nach der Unterkunft bis diese dann schlussendlich ausgebucht ist.
So müssen wir uns also erstmal was anderes suchen, ich hab da ja noch eine Empfehlung von Artiom, unserem ehemaligen overcross Guide. Jetzt bewährt sich Suses Russisch mal wieder, da sie erst telefonisch buchen und dann nochmal dort anrufen kann als wir die Unterkunft nicht finden können. Korrekte Koordinaten auf der Webseite oder Hausnummern, die auch stimmen, wär‘ vermutlich auch zu viel verlangt. Irgendwie fühlen wir uns dann aber überhaupt nicht wohl und so ziehen wir am nächsten Morgen ins TES Guesthouse um. Zwar deutlich teurer, aber einer DER Treffpunkte für Reisende in Kirgistan.
Hier versacken wir ein paar Tage, holen unsere bestellten Reifen bei Zorromoto ab und wechseln diese diesmal selber. Bei Vorderreifen ja kein Problem. Und da ein anderer Reisender auch mit einer DR da ist und noch passende Vergaser-Düsen dabei hat, machen wir gleich noch meinen Vergaser auf um zu ergründen, warum ich bislang knapp 300 Liter mehr als Suse verbraucht habe, obwohl wir meistens unmittelbar hintereinander herfahren. Da ich schon die kleinste Düse drin hab, häng ich halt die Nadel noch mal tiefer und wenn ich schon dabei bin justier ich auch gleich noch den Schwimmerstand nach unten. Das stellt sich allerdings schnell als Fehler heraus und so bin ich einen halben Tag damit beschäftigt die Karre wieder zum Laufen zu bringen. Irgendwann tauchen dann auch noch Erik und Alain auf und so werden die Abende immer länger. Bevor wir ganz träge werden, machen wir uns dann doch wieder auf. Bis nach China haben wir immer noch reichlich Zeit und so erkunden wir die nächsten zwei Tage die Täler südlich von Osh.

So wie hier die Kinder am Straßenrand staunen, sind wir möglicherweise die ersten Motorradfahrer die sie je zu Gesicht bekommen.

Unser nächstes Ziel ist dann der Peak Lenin, der dritthöchste Berg der ehemaligen Sowjet-Union. Hier kann man mit dem Motorrad bis ans Basecamp fahren, da wollen wir allerdings nicht hin, sondern zu einem Plateau über dem nahegelegenen Jurtcamp. Unmittelbar nach Sonnenuntergang fällt die Temperatur hier schlagartig auf 5 Grad. Gut dass wir noch genügend Brennholz dabeihaben. Ja, auch auf einem Motorrad kann man Holz für ein Lagerfeuer mitnehmen! Und erstaunlicherweise bleibt trotz der frischen Temperaturen noch etwas für den nächsten Tag übrig, da wir genügend trockene Kuhfladen finden, dem Heizmaterial Nummer eins im waldarmen Kirgistan.

Den nächsten Tag verbringen wir auf der Suche nach Trinkwasser und etwas zu Essen. Gar nicht so einfach hier im Kyzil Suu Tal. Die Ortschaften liegen weit auseinander und  die Infrastruktur ist mäßig. Dafür ist die Kulisse mit den 7000ern des Pamir um so eindrucksvoller. Essen und trinken ist das eine, ein Platz für die Nacht das andere. So lange wie hier haben wir seit Monaten nicht gebraucht um etwas nettes zum Zelten zu finden. Zwar feiern ganz in der Nähe ein paar Kirgisen den Feiertag, aber außer dem Bauern und seiner Frau, die hinter einer Baumhecke ihre Hütte haben, kommt niemand vorbei um uns zu stören. Und diese Störung lassen wir uns gefallen. Zum Abendessen bekommen wir Fladenbrot, Rahm, Honig und kirgisischen Trocken-Quark-Käse serviert und zum Frühstück bringt uns die Bäuerin dann sogar noch zusätzlich Tee. Immer wieder aufs Neue überwältigend – diese Gastfreundschaft.

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