Wenn wir in Russland erzählt haben, dass wir als nächstes nach Kasachstan fahren wollen, kam immer die selbe Antwort: Oooh, ganz furchtbare Straßen! Auch von anderen Reisenden kam öfters der Hinweis, wie unfahrbar hier die Asphaltstraßen sein sollen. So schlimm wirds ja auch nicht werden, denken wir uns. Trotzdem nehmen wir lieber einen Grenzübergang etwas abseits der Hauptstraße, da der uns wenigstens ein paar km auf der anscheinend so schlechten Nord-Süd-Verbindung in Kasachstan ersparen sollte. Die Grenzformalitäten sind erfreulich unkompliziert und schnell erledigt und auch die Straße bleibt erstmal richtig gut. Im Grenzdorf sind das erste einheimische Geld und eine SIM-Karte schnell gefunden, daher reißen wir noch gut 100km bis in die nächst größere Stadt runter, dort kennt Booking ein Hotel. Nach den letzten heißen Tagen brauchen wir dringend eine Dusche, hungrig und mit Lebensmitteln unterversorgt sind wir auch. Von außen sieht das Hotel ja eher unscheinbar und ein bisschen verranzt aus, aber das Innenleben ist ne echte Überraschung! Die Eingangshalle, das Treppenhaus und das Kafé sind aufwändig bemalt, in jedem Raum hat sich der Künstler eine neue Szenerie ausgedacht: Vom alten Ägypten gehts durch die Alpen in den Dschungel, an der Decke schlängeln sich chinesische Drachen. Abgefahren. Nachdem wir uns die Bäuche mal wieder so richtig vollgeschlagen haben (zum Glück gibts eine Art Käsepizza mit Spiegelei obendrauf und lecker Salate dazu), fall ich in unserem riesigen Zimmer ins Fresskoma, während Axel noch am Rechner rumtüdelt.
Von Kasachstan hatte ich immer nur recht vage Vorstellungen, ich hatte nur gelesen, dass es hier im Südosten recht wüstenartig ist. Das bestätigt sich in den nächsten Tagen. Schon frühmorgens (naja – frühmorgens nach unseren Vorstellungen, also um 9) ist es brüllend heiß, nirgends ist ein Baum, der einem etwas Schatten spenden könnte, wenn man sich mal zu einer Pause durchringen würde. Ja – zu Pausen müssen wir uns durchringen, es ist so heiß, dass man einfach den Fahrtwind braucht. Nachdem die Straße aber allmählich tatsächlich grauslig wird, ist auch der Fahrtwind ein begrenztes Gut. Die Fahrbahn ist mit tiefen Querrillen durchzogen, ab und zu zeigen sich mittelgroße Schlaglöcher und damit es nicht langweilig wird, haben sich LKWs tiefe Längsfurchen gegraben. Mit mitteleuropäischen Bodenfreiheiten am PKW könnte man da schon in Schwierigkeiten geraten.
Zum Glück zeigt sich mal wieder Axels Talent zum Zeltplatz – Suchen: In einem Landstrich ohne Bäume, riecht er quasi den einzigen Platz, an dem es sich aushalten lässt: Knapp 3km von der Straße, am Ende eines Feldwegs, entdeckt er eine kleine Baumgruppe, ein kleiner Bach zur Erfrischung fehlt auch nicht. Zum Lagerfeuer gibt es heute mal kein Bier sondern Kräutertee, den wir neulich geschenkt bekommen haben, aber damit lässt sichs ja auch leben. Nachdem wir am nächsten Morgen unseren Schatten irgendwann doch wieder verlassen müssen, hat uns die Hitze wieder. Wir hoppeln weiter über Ex-Teer und beneiden die Fahrer, die in einigen Jahren hier langkommen: Seit bestimmt 200km verläuft neben der heutigen Straße eine einzige Baustelle, wo an der Verkehrsader von morgen gearbeitet wird. Da kann man nur hoffen, dass dieses Mal Profis am Werk sind, so dass die neue Straße etwas länger in brauchbarem Zustand bleibt.
Wir hoffen für den Abend auf einen Zeltplatz am Fluss, so dass wir uns dort etwas abkühlen können, unter unseren Moppedklamotten sind wir dampfgegart. Leider sind wir nicht allein mit dem Wunsch nach Abkühlung, etliche Bewohner der nahen Ortschaft verbringen den Sonntagnachmittag hier am Kiesstrand. Da wir aber gar nicht gern zwischen so vielen Leuten campen, fällt der Strand heute für uns aus. Also muss schon wieder ein Hotel her, so oft Luxus sind wir gar nicht gewohnt.
Die Landschaft bleibt gleichförmig karg und ausgetrocknet, wir schauen einfach, dass wir weiterkommen. Die Straße zerrt immer mehr an unseren Nerven, wenn die Slalomfahrerei anfangs ja noch ganz witzig war, treibt sie uns jetzt bald in den Wahnsinn. Nur – was wäre die Alternative? Auch in Deutschland stöhnen die Menschen über die aktuelle Hitzewelle, und bei 37° im Büro hocken ist nun wirklich auch kein Spaß! Erst im letzten Drittel unserer Kasachstan-Etappe ändert sich die Landschaft allmählich. Es tauchen Berge am Horizont auf und mit ihnen Wolken, die für etwas Abkühlung sorgen. Und endlich – ENDLICH!! – wird die Straße kurz vor Taldyqorgan um Welten besser. Keine Ahnung, warum die genau hier mit der Renovierung der Straße aufgehört haben, vielleicht wohnt hier ein Kumpel des Präsidenten, der öfters nach Almaty fährt. Von hier bis Almaty soll die Straße nämlich in einem traumhaften Zustand sein. Damit uns nicht zu wohl wird, biegen wir nach nur einer Stunde wieder von der Hauptstraße ab. Hier im äußersten Südosten des Landes liegen nämllich auch unsere einzigen Besichtigungsziele: Der Altyn-Emel Nationalpark und der Charyn Canyon. Im Altyn Emel wollen wir nicht wie alle anderen zur singenden Sanddüne, zumal sie nach dem Unwetter von gestern wohl zu feucht und daher „stumm“ sein dürfte. Stattdessen soll es zu den Weißen Bergen gehen, die trotz ihres Namens unglaublich bunt sind. Auf dem Weg erwischt mich eine winzige Schlammpfütze auf dem falschen Fuß, ich leg mich hin und verbrenn mir erstmal die Wade an meinem Krümmer.In mehreren Berichten hatten wir gelesen, dass auf dem Weg zu den Weißen Bergen keine Eintrittskarten in den Nationalpark benötigt würden, das stellt sich jetzt als falsch heraus. Kaufen kann man die Karten nur im schon 25km hinter uns liegenden Dorf. Heut läufts einfach nicht. Nachdem ich mit meiner beinahe tödlichen – weil bestimmt daumennagelgroßen – Verbrennung nur noch begrenzt Lust auf Wellblech-fahren hab, bekommt Axel Mitleid und sucht uns einen Not-Zeltplatz hinter einer Kuppe außer Sichtweite der Ranger unter dem einzigen Baum weit und breit.
Aber wenigstens den Charyn Canyon wollen wir uns noch anschauen. Wieder macht das Wellblech mir das Leben schwer, Axel ist da schmerzfreier und fährt die 20km von der Teerstraße bis zum Nationalpark mit den benötigten 80km/h. Bei dieser Geschwindigkeit gibt das Fahrwerk einfach auf und das Mopped gleitet fast ohne Holpern über die regelmäßigen Spitzen im Schotter. Leider trau ich mich nicht, ganz so schnell zu fahren, daher muss ich die andere Möglichkeit, das Wellblech zu bewältigen, wählen: Schrittgeschwindigkeit. Entsprechend spät kommen wir am Eingang zum Canyon an. Die Ranger sind sehr nett, wir könnten unsere Moppeds an ihrem Kontrollposten stehen lassen, wenn wir unten im Canyon übernachten wollen. Runter darf man nämlich nur zu Fuß oder mit 4×4 Geländeautos, für Motorräder ist es verboten. Warum das so ist, können wir uns erstmal nicht erklären. Wir entscheiden uns gegen eine Übernachtung im Canyon, da wir unser Zelt nicht mitschleppen aber auch nicht 50€ für das Camp berappen wollen. Stattdessen fahren wir noch vor bis zum Aussichtspunkt und schießen die obligatorischen Fotos von der zugegebenermaßen recht beeindruckenden Landschaft. Auf dem Rückweg wollen wir noch den Pflicht-Geocache in Kasachstan heben und entdecken hier auch den Grund, warum man nicht mit dem Motorrad nach unten fahren darf. Es sind zwar nur die ersten 100m extrem steil und ausgewaschen, aber ehrlich gesagt, hätte ich hier noch nicht mal mit einem 4×4 große Lust runter zu fahren.
Zurück zur Hauptstraße nehmen wir jetzt eine kürzere Schotterstrecke in besserem Zustand, so dass wir gerade noch vor Sonnenuntergang einen nicht weit entfernten Spitzen-Zeltplatz mit Aussicht am Fluss erreichen, wo wir sogar noch ein Lagerfeuerchen schaffen.
Inzwischen ist das Wetter umgeschlagen. Eigentlich wollten wir noch zu einem Salzsee in den Bergen, diesen Ausflug schenken wir uns aber, nachdem die Wetter-App für dort Dauerregen und grad noch 18° ankündigt. Da fahren wir doch lieber die restlichen paar Kilometer zur kirgisischen Grenze und nehmen uns noch mehr Zeit für dieses Traumland. Axel war vor Jahren schonmal dort und kann gar nicht mehr aufhören, von dort zu schwärmen.
Kasachische Strassenimpressionen:
So hätte es übrigens im Altyn Emel NP ausgeschaut: Link zur Webseite von Andreas Möller
Einmal mehr, vielen Dank für eure tollen Eindrücke in Bild, Ton und Schrift. Haltet Sorge zu euch