Nach nur einer Nacht verlassen wir Lahore – wir hätten da zwar noch eine Einladung von Motorradfahrern, die wir unterwegs getroffen haben, aber zum einen erreichen wir die Jungs gerade nicht, zum anderen hoffen wir, dass nach dem gestrigen Feiertag auch am heutigen Brückentag nicht allzuviel los ist und wir schnell wieder aus der Stadt herauskommen. Konsequent das Navi ignorierend fahren wir lieber der Beschilderung nach, kann man auch mal machen, wenn schon mal eine da ist 😉 und kommen so ruck zuck zum Wagah Grenzübergang. Die Grenze ist zu einem kleinem Stadion ausgebaut, in dem allabendlich eine Grenzschließungszeremonie a la Monty Python abgehalten wird. Tagsüber ist der Übergang zwischen den beiden verfeindeten Nationen so gut wie verlassen. Die Ausreise aus Pakistan ist schnell und unkompliziert. Bei der Einreise nach Indien müssen wir uns auf wenigen hundert Metern durch zahlreiche Checkposts durcharbeiten und jedes mal wieder unsere gesammelten Daten in irgend ein Register eintragen, bevor wir überhaupt erst das Zoll- und Grenzgebäude erreichen. Dort dann eine Sicherheitskontrolle wie am Flughafen. Feuerzeug, Taschenmesser, Leatherman müssen draußen bleiben. Dann nochmal zig Formulare ausfüllen bis wir endlich zum Einreiseschalter vorgelassen werden und ein weiteres Mal unsere Passdaten erfasst werden. Dann dürfen wir zum Zoll, unser Carnet abstempeln. Dafür werden unsere Moppeds einer gründlichen Kontrolle unterzogen, bei der wir sogar unsere dick verkrustete Motornummer freikratzen müssen. Dann wird das Gepäck kontrolliert, stichprobenweise in jede Kiste reingeschaut und sogar den Packsack muss ich aufmachen. Als wir gerade meinen, wir sind fertig, werden wir noch einmal an den Einreiseschalter zitiert. Die Einfuhr von Straßenkarten wäre angeblich verboten! Der Grenzer lässt nicht mit sich diskutieren und verweist auf einen Aushang auf dem lediglich steht, dass die Einfuhr von Karten mit „falsch“ eingezeichneten Grenzen untersagt ist. Auf unserer Karte ist für die Region Kashmir eher eine Art Demarkationslinie eingezeichnet. Nach einigem hin und her einigen wir uns darauf, den „falsch“ eingezeichneten Bezirk auszuschneiden. Wir schenken den Beteuerungen des Grenzers keinen Glauben, dass wir in Amritsar ohne Probleme eine korrekte Straßenkarte bekommen würden, geschweige denn eine wasserfeste, oft faltbare, motorradtaugliche. Die letzten 20 Tausend Kilometer ist uns jedenfalls kein Kartenladen untergekommen…
Am letzten Checkpost werden wir dann noch freundlich auf den Linksverkehr hingewiesen, aber unseren „Laufzettel“ will dort keiner haben und „schon“ sind wir in Indien. Ein Affentheater fast wie in China.
Da wir für Indien noch keine Sim-Karte haben und uns mittlerweile sehr an den Luxus des mobilen Internets gewöhnt haben, haben wir bereits am Morgen, noch in Pakistan, eine gut bewertete, zentrale Unterkunft mit sicherem Parkplatz vorgebucht. Auf dem Weg dorthin fahre ich meinem GPS nach, das diesmal weniger wirr fahren will als in Lahore. Zum Glück ist scheinbar auch hier Feiertag und wir kommen mit dem Indischen Verkehr recht schnell zurecht. An den Kreuzungen gibt es zwar hin und wieder sogar Ampeln, aber trotzdem fährt einfach jeder wie er will. Keine Ahnung wie und warum das funktioniert, aber wer es als Kind gelernt hat sich „aktiv“ am Lift anzustellen wird auch hier zurechtkommen. Am Skilift wollen allerdings alle in dieselbe Richtung! Froh unsere Unterkunft gefunden zu haben, raucht Suse erstmal eine während ich einchecke. Ich frage extra noch nach dem sicheren Parkplatz, da ich in der Gasse vor dem Hotel nichts derartiges entdecken konnte, aber nach der Zusicherung „Sure Sure, Sir“ packen wir unser Gepäck ab. Wenig überraschend ist der „sichere“ Parkplatz dann direkt vor der Tür an der Straße. Schnell wird ein Moped weggefahren und wir sollen unsere zwei Motorräder in die viel zu kleine Lücke stellen. Was wir denn mehr wollen, da hätten wir doch einen Parkplatz und wir sollten einfach unser ganzes Gepäck abmachen, sie würden uns auch beim reintragen helfen. Nach längerer Diskussion und in Ermangelung von Internet und Alternativen beißen wir in den sauren Apfel rödeln bis auf die Kisten alles ab und stapeln den ganzen Krempel in unserem kleinen Zimmerle bis beinah unter die Decke und sperren die DRs zusammen. Kurz genießen wir die Klimaanlage (Fenster werden völlig überbewertet) und schalten den Rechner ein, um mal wieder unsere Bilder in der Cloud zu sichern. Das Internet in Pakistan war dafür einfach zu langsam. Dann machen wir uns auf den Weg ein anderes Hotel, eine Sim Karte und ein Mittagessen zu finden.
Das Zimmer für die nächste Nacht in einem nahegelegenen Guesthouse ist schnell klar gemacht. Zwar dreckiger und mit langsamem Internet, dafür aber mit Parkplatz im Innenhof. Für die Sim-Card braucht es dann zwei Anläufe, da der erste kleine Shop nur für Inländer Verträge verkaufen kann. Beim zweiten Shop erwischen wir dann dafür den richtigen Verkäufer. Ganz ohne Passbild, Fingerabdrücke und langwierigen Aktivierungsprozess bekommen wir eine Indische Sim Card. Allerdings ist diese nur 3 Monate gültig. Länger ist für Ausländer nicht möglich…. – außer…. wir geben ihm noch eine kleine Vorauszahlung und schreiben ihm nach Ablauf der drei Monate dann eine Whatsapp und er verlängert das ganze dann nochmal für 4 Wochen. Mal schaun ob das dann auch funktioniert. Nach allem was wir über die Komplikationen beim Sim Card kaufen in Indien gelesen hatten ging das ja super schnell und unkompliziert, und abgesehen von einer Telefon und SMS Flatrate sind in unserem Tarif für umgerechnet 7€ im Monat auch noch 1,4GB Daten pro TAG! enthalten.
Jetzt steht noch das Mittagessen aus, aber ausgerechnet in der Gegend wo wir grad sind gibt es mal keine Fressbuden und abgesehen davon wird es bald dunkel und ich würd gern den Goldenen Tempel zum Sonnenuntergang erwischen. Also erstmal dort hin. Der Weg ist länger als gedacht und bevor wir rein dürfen müssen wir erst mal unsere Schuhe an der Aufbewahrung aufgeben, unsere Füße waschen und die Köpfe bedecken. Die überraschend kurze Dämmerung haben wir jetzt auch verpasst, aber auch nachts macht das Heiligtum der Sikhs eine gute Figur.
Da wir jetzt dringend was zu Essen brauchen, landen wir beim nahegelegenen Subways, der hier im Tempelbezirk ausschließlich Vegane Speisen anbietet, also nicht mal Cookies zum Nachtisch. Erst am nächsten Tag erfahren wir, dass im Tempel täglich 100.000 Gratis Essen an Pilger und Bedürftige ausgegeben werden. Wir haben zwar eine kleine Spende dafür da gelassen, aber ohne wirklich zu wissen, in welchem gigantischen Ausmaß hier Essen verteilt wird.
Da der Wetterbericht nach wie vor Regen in sintflutartigem Ausmaß vorhersagt, vertagen wir unsere Weiterfahrt erst einmal. Die prognostizierte Regenmenge für den nächsten Tag ist in Stuttgart im vergangenen Jahr in den 3 regenreichsten Monaten nicht gefallen!
Da die Stromausfälle durch den Regen auch nicht besser werden, kommen wir nicht mal richtig zum Blog aktualisieren und auch erst gegen Abend mal raus ums Eck um eine Kleinigkeit zu essen.
Was wir jetzt noch nicht wissen: Der verspätete Monsun wird unsere Reisepläne ganzschön durcheinander bringen. Im Norden, auf unserer geplanten Route, wurden dadurch nämlich ganze Täler durch Schnee, Erdrutsche und Hochwasser von der Außenwelt abgeschnitten.
Unser nächstes Ziel Jammu in Kashmir erreichen wir aber ohne größere Zwischenfälle, lediglich kurz nach Amritsar nötigt uns eine kleine Überschwemmung zu einem Umweg. Ob es sich rechts und links der Straße um Reisfelder oder Hochwasserschäden handelt, ist schwer zu sagen, das Flachland wird jedenfalls bald bergiger und auch die Straßen werden kurviger. Vom befürchteten Indischen Verkehr ist nach wie vor nicht viel zu bemerken, was nicht bedeutet dass man all zu unaufmerksam fahren sollte. Ein klein wenig chaotisch geht es hin und wieder schon zu. In Jammu sind wir im Wheelostay bei Naveen Kotwal zu Gast, der hier ein Zimmer für Motorradreisende bereithält. Hier verbringen wir zwei Tage und besorgen schon wieder eine neue Sim Karte. Im Konfliktstaat Kashmir und in Ladakh funktioniert unsere neue Prepaid Sim Karte leider nicht. Nur indische Postpaidkarten funktionieren hier oder eine Local Sim und die zu bekommen ist hier alles andere als einfach. Theoretisch braucht es dafür zwei Passbilder, Fingerabdrücke, einen Einheimischen, der mit seiner ID Card mitkommt, und dann muss die Freischaltung erst tagelang in der Zentrale und von verschiedenen Behörden geprüft werden. Terrorabwehr! Wir haben mal wieder Glück und bereits im 4. Laden findet sich wieder ein Verkäufer, der uns eine voraktivierte Sim verkauft. Nach Ende unsrer Ladakh Runde werden wir diese Sim dann wieder nach Jammu zum Wheelostay zurückschicken, damit die nächsten Motorradreisenden diese dann nur noch frisch aufladen müssen. Da uns die weitere Strecke nach Srinagar für einen Tag zu weit ist, empfiehlt uns Naveen, in einem kleinen Seitental ca. auf halbem Weg zu übernachten. Dort arbeitet er und hat ein Zimmer gemietet und dort könnten wir auf dem Dach unser Zelt aufschlagen.
Das Seitental ist dann tatsächlich nett, ursprünglich und schön grün, mit Kiefernwäldern hatte ich in Indien irgendwie nicht gerechnet, und ein Kontrast zur Strecke dorthin, die der staubigste Abschnitt unsrer bisherigen Reise wird. Eine fast endlos lange Baustelle und unzählige LKW kombiniert mit rücksichtsvollen Indischen Fahrern machen diesen Abschnitt zu einem wahren Schmankerl.
Wir sind jedenfalls heilfroh, als wir pünktlich zum Sonnenuntergang ankommen. Der kleine Abstecher in das Tal hatte sich dann doch noch fast eine Stunde gezogen. Ein Nachbar ist informiert und zeigt uns wo wir parken sollen. Zwar direkt auf der Straße, aber in dem kleinen Dorf wo jeder jeden kennt, würde das schon passen. Unser Zelt ist auch fix aufgebaut und als uns dann auch noch, frisch geduscht und entstaubt, ein bereits von Naveen vorbestelltes Abendessen auf unserem Dach serviert wird, sind wir rundrum zufrieden und genießen den Milchtee als Absacker.
Als dann allerdings nachts erst reichlich Viehzeug Lärm macht (wie klingen eigentlich Himalaya Wölfe oder Tiger?), worauf unweigerlich die Hunde rund um uns herum antworten und kurz darauf im Tempel gegenüber in Diskolautstärke chillige Meditationsmusik erschallt (Nachts um halb fünf!) wünschen wir uns wieder nach Skardu zu den wesentlich dezenteren Muezzinen, die um die Wette einen Feiertag besungen haben.
Als wir auch das vorbestellte Frühstück nicht bezahlen dürfen, sind wir von der Gastfreundschaft die uns im Ausland immer wieder entgegen schlägt tief beeindruckt und auch ein wenig beschämt, wenn man bedenkt wie Teile der Gesellschaft bei uns daheim so mit Ausländern umgehen.