Sep 272018
 

Kaum durchs Grenzportal lichten sich schlagartig die Wolken. Zahlreiche pakistanische Touristen heißen uns erfreut willkommen und wollen gleich Selfies mit uns schießen. Auf einer schön zu fahrenden Passstraße geht es recht fix nach unten und bereits am ersten Checkpoint können wir einige Lagen ausziehen. Unsre Truppe hat sich bereits aufgelöst, aber in Sost am Zoll treffen wir fast alle wieder aufeinander. Die Grenzabfertigung samt Carnet abstempeln bringen wir zügig hinter uns und bekommen vom Zöllner gleich noch einige Ratschläge für schöne Orte mit auf den Weg. Die Suche nach einem Geldautomaten gestaltet sich da schon schwieriger. Wir finden zwar einige, aber keiner will uns Geld geben. „Nur für Einheimische“ klärt uns ein paar Orte später ein Pakistani auf. Praktisch, dass man hier wieder auf Englisch kommunizieren kann. Wir haben an der Grenze nur unser chinesisches Restgeld gewechselt und wollen unsere Bargeld-Notreserven noch nicht anpacken, daher fällt eine Hotelübernachtung für heute aus und wir suchen uns nach einem Samosa Imbiss einen Campingplatz am Borith Lake. Die Zufahrt hat es mit ein paar steilen Grobschotterkehren nochmal in sich, aber da es bereits zu dämmern beginnt, haben wir keine andere Wahl.

Am nächsten Morgen fahren wir zum Frühstück nochmal ein paar Kilometer zurück zum Glacier-Breeze-Apricot-Cake-Café, von dem wir einen tollen Blick auf die Passu Cones haben. Unbeschreiblich wie abwechslungsreich und fantastisch bizarr die Berge hier im nördlichen Pakistan sind.

Auch hier werden wir bei jedem Fotostop von Pakistanis willkommen geheißen und kommen vor lauter Selfies jedesmal kaum wieder weg.

Über facebook hatte ich bereits seit einiger Zeit Kontakt zu Einheimischen hier aus dem Hunzatal, die uns eingeladen hatten. Da wir in China leider kein Internet hatten und hier bislang weder eine pakistanische SIM-Karte noch Wifi finden konnten, sind unsere nächsten Ziele, einen Geldautomat, einen Handyladen und ein Mittagessen zu finden. Dies alles soll es in „Hunza“ geben, wie wir immer wieder hören. Nur gibt es diesen Ort gar nicht auf der Karte. Der Fluss bzw das ganze Tal heißen so. Einige Kilometer und einige Foto-Selfie-Stops weiter werden wir in Karimabad/Aliabad dann irgendwann fündig. Geld ist noch das einfachste. Die Handy-Sim erfordert dann schon mehr Fragerei. Im ersten Laden wird mir tatsächlich die Konkurrenz empfohlen. Hier in Gilgit-Baltistan hat nur eine einzige der vielen Telefongesellschaften seit kurzem schnelleres Internet als 2G. Essen ist dann schon wieder schwieriger und wir fahren den Ort noch einmal komplett auf und ab. Kebab gibt es mal wieder reichlich aber vertrauenerweckende vegetarische Fress-Buden mit Wifi sind nicht so einfach zu entdecken. Chicken Biryani hingegen gäbe es überall.
Nach dem Essen ist mir zwar immer noch zu warm und meine Laune ist wieder etwas besser, aber da ich in Ermangelung von Internet immer noch keinen Kontakt zu den Facebook Jungs habe, suchen wir uns erstmal eine Unterkunft. Im Mountain Story Hotel treffen wir dann auch Birgit und Ralph wieder, die uns das letzte Zimmer vor der Nase weggeschnappt haben – macht aber nichts, wir dürfen gratis im „Garten“ unser Zelt aufschlagen. Da das Hotel hoch oben am steilen Hang liegt, ist die Zufahrt zum Garten allerdings gar nicht so ohne und Suse legt ihr Mopped gleich mal wieder ab. Steil, Steinplatten und eine Sandschicht drauf – gebaut vielleicht für Traktoren und 4×4 aber weder für Fußgänger noch für Motorräder. Der Garten ist dann auch eher eine Buckelpiste und schön staubig, da direkt neben uns in Handarbeit Betonziegelsteine gefertigt werden. Aber immerhin ist es schattig und wir können bei Atif im Haus sogar erst eine erfrischende Kübel-Dusche und dann an der Bar ein selbst-gebrautes Belgian Sour genießen. Das schmeckt zwar eher nach nem milchsäuregegärten Apfelmost mit leichter Essignote als nach Bier – ich muss allerdings auch zugeben, dass ich keine Ahnung habe wie ein Sour schmecken sollte. Erfrischend ist es jedenfalls. Im Herbst und Winter kann Atif dann dank der kühleren Temperaturen auch wieder Lager und nicht nur Weizen oder Sour brauen.
Da wir weiterhin weder Sayed noch Nazim erreichen können, brechen wir nach zwei Tagen wieder auf und treffen bei unserem Abstecher zum Hopar Gletscher wieder auf Ricardo aus unserer China Truppe, der jetzt, solange er auf Ersatzteile für seine KTM wartet, mit einem kleinen Mietmopped unterwegs ist. Nach einem gemeinsamen Mittagessen geht es für uns dann wieder zurück auf den Karakorum Highway. Kaum Verkehr, immer noch ungewohnt auf der linken Seite, guter Straßenbelag, immer wärmer – obwohl wir noch ganz schön hoch sind. Die Berge um uns herum sind lang nicht mehr so spektakulär wie die letzten Tage und so schaffen wir es am Nachmittag noch bis Gilgit. Hier ist es vorbei mit „kaum Verkehr“ und wir schlängeln uns engagiert durchs Getümmel um unsre vorher auserkorene Unterkunft am anderen Ende der Stadt zu erreichen. Gar nicht mal so hübsch, etwas in die Jahre gekommen und trotzdem nicht all zu billig, aber wir bleiben trotzdem. Es dämmert bereits, wir haben keine Lust mehr auf das Verkehrschaos und es ist auch viel zu heiß. Beim zweiten Blick ins Badezimmer vergeht mir dann aber die Lust aufs Duschen und wir suchen uns erstmal etwas zum Abendessen. Mit Englisch kommen wir kaum noch weiter, aber ein Blick in die Töpfe hilft weiter. Den obligatorischen Krug mit „Trink-Wasser“ lehnen wir dankend ab und bestellen lieber eine Cola zum löschen. Zwar lecker aber gar nicht so unscharf, der Eintopf, den wir kredenzt bekommen. Und gar nicht mal so einfach zu Essen. In China gabs ja wenigstens noch Stäbchen, aber hier musst du schaun wie du mit einem Stück Fladenbrot die Pampe vom Teller bekommst.

Für unser nächstes Ziel Skardu müssten wir eigentlich früh aufbrechen. Von bis zu 10 Stunden Fahrzeit haben wir bereits gehört. Allerdings öffnet der Mobilfunkshop, der praktischerweise direkt neben unserem Guesthouse liegt erst um 9 Uhr. Zu dem muss ich noch, da meine Sim zwar mittlerweile aktiviert ist, aber das Internet erst noch über eine Hotline freigeschaltet werden muss. Bis der Laden dann tatsächlich offen hat und wir dann noch getankt und Wasser für den Tag gekauft haben, ist es mal wieder fast halb elf als wir die Stadt verlassen. Die ersten 40 km auf dem Karakorum Highway sind noch gut zu fahren. Nach der Abzweigung ist die Straße dann nur noch einspurig und in keinem ganz so gutem Zustand mehr, aber es ist immerhin noch eine Straße. Schnell vorwärts kommen wir trotzdem nicht mehr. Zu viel gibt es zu sehn und die Berge wirken teilweise wie aus einem einzigen großen Granitblock geschliffen. Entlang des hier schon beachtlichen Indus geht es immer weiter nach Osten. Gewaltige Felswände begrenzen die Schlucht und in eine dieser Wände ist die Straße hineingeschlagen. Zum Glück ist nicht viel Verkehr. Viel breiter als ein Fahrzeug ist es hier selten. Und zum Glück haben wir Linksverkehr, so dass wir auf der Bergseite fahren können, wenn denn doch mal ein Auto entgegenkommt oder uns überholt. Mit kaum mehr als 15 – 20 km/h kommen wir vorwärts und es hat beinahe 40°C. Unsere luftgekühlten Einzylinder leiden unter dem fehlendem Fahrtwind genauso wie wir. Irgendwann kommen dann auch noch Baustellen dazu. Die Straße in die Provinzhauptstadt Baltistans wird gerade zweispurig ausgebaut und deshalb für die erforderlichen Sprengarbeiten immer wieder gesperrt. Wir haben Glück und müssen nirgends länger als 20 Minuten warten, kommen aber trotzdem nur langsam vorwärts. Teile der Baustellen sind bereits zweispurig und frisch planiert, andere Abschnitte gerade frisch aufgeschottert und beinahe unfahrbar und ich bin immer wieder überrascht, wenn Suse diese durchaus kniffligen Passagen ohne Hilfe bewältigt.
Keine 20 km vor Skardu hält uns dann auch noch ein Schwertransport auf, an dem wir uns aber in einem unbeobachteten Moment links vorbeimogeln können und wir schöpfen schon Hoffnung, noch vor Sonnenuntergang anzukommen, aber nach wenigen Kurven dann plötzlich ein Monsterstau. Nichts geht mehr. 5 fach nebeneinander stehen hier die LKW und Autos ineinander verkeilt auf der zweispurigen Straße. Es dämmert bereits. Die Gegenfahrbahn ist auch komplett dicht, links der Berg, rechts der Fluss, Staub, Hitze, eingekeilt zwischen rangierenden Lastwägen. Ich stecke rechts im Gegenverkehr, Suse links irgendwo im Straßengraben fest, der sich als Umgehung auch nicht eignet. Der Grund für das Chaos ist eine alte Holz Hängebrücke, über die immer nur ein einzelner LKW im Schritttempo drüber fahren kann. Irgendwann kann ich mein Mopped im Chaos abstellen und kämpfe mich zu Fuß zu Suse zurück und fahre ihres durch den tiefsandigen, mit Felsen gespickten Seitenstreifen ein Stück weiter nach vorne. Es ist bereits stockfinster als ich, wieder auf meinem Mopped, an der Brücke ankomme. Also erstmal wieder zurück Suse finden und zu mir lotsen und ab über die schwankende Brücke. Immerhin müssen wir uns nicht anstellen, sondern werden vorgewunken sobald der nächste Laster durch ist.  Genau das lieben wir. Nachtfahrten auf staubigem Schotter – und nichtmal kühler ist es. Zum Glück finden wir nach wenigen Kilometern ein kleines, ganz passables Hotel mit Dusche! und bekommen sogar noch ein leckeres Abendessen.

   

  Eine Antwort zu “Gilgit & Baltistan – der gigantische Norden Pakistans”

  1. Einfach nur toll

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