Cali begrüsst uns mit einem beinahe italienischen Verkehrsgewühl. Die Rote Welle auf der Hauptstraße geht uns bei den subtropischen Temperaturen gewaltig auf die Nerven. Cali überrascht uns aber auch. Noch nirgends in Südamerika haben wir so viel Armut und Elend gesehen. Manche der kläglichen Gestalten die unter den Brücken liegen und in den dreckigen Seitengassen im Müll nach Essen wühlen, haben sich lediglich aus Plastiktüten einen Lendenschurz gebastelt. An ein paar Ampeln überlege ich mir, einfach bei Rot weiter zu fahren, da ich nicht länger als unbedingt nötig stehen bleiben will und wir sind froh als wir das Hostal Casa Blanca unbeschadet erreichen. Dummerweise ist keines der günstigeren Zimmer mehr frei, aber weitersuchen wollen wir auch nicht und so haben wir wenigstens viel Platz und eine Klimaanlage.
Abends machen wir uns dann auf die Suche nach einer Salsa Bar. Laut unserem Reiseführer soll auch sonntags einiges los sein aber schon in unserem Hostal sind die Mädels an der Rezeption da eher skeptisch. Die Kneipenstraße liegt wie ausgestorben vor uns und als wir die Pizzapreise sehen vergeht uns der Hunger.
Am nächsten Tag geht es erstmal in die Werkstatt. Ich habe den Verdacht, dass mein Kettenrad-Lager schon wieder kaputt ist. Wie sich herausstellt ist es nicht kaputt, sondern nur locker. Dafür sind jetzt die Radlager fällig.
Zu unserer Überraschung kann die kolumbianische Motorradwerkstatt die neuen Lager und sogar einen neuen Wellendichtring über die Mittagspause bestellen und da die Gelegenheit günstig ist spendiere ich der Suzi für die letzten paar Tausend Kilometer auch gleich noch einen neuen Hinterreifen. In Argentinien mussten wir in Salta noch selbst 3 Tage sämtliche Ersatzteilläden abklappern um mit Müh‘ und Not ein passendes Lenkkopflager und Gabelsimmerringe zu finden und in Kolumbien bekommen wir über Mittag sogar SKF Lager geliefert. Wir sind beeindruckt! Die Ersatzteilrechnung befindet sich zwar auf deutschem Niveau, dafür müssen wir für die Werkstatt nichts bezahlen. Ich hab zwar viel selbst machen können aber mir auch ordentlich helfen lassen.
Von Cali fahren wir recht unspektakulär durch ein weites Tal nach Norden. Wir wollen nach Salento, einem kleinem Dorf in der Kaffeezone. Nachdem wir dank GPS auch ohne Beschilderung durch Armenia hindurchgefunden haben genehmigen wir uns am Straßenrand noch einen Jugo. Auch direkt an den Obstständen gibt es hier leider keine frisch gemixten Säfte. Stattdessen wird tiefgekühltes (hoffentlich wenigstens selbstgemachtes) Konzentrat in den Mixer befördert. Die Straße nach Salento erinnert uns dann an die nach Mindo. Schmal, kurvig und grün überwucherte steile Wände auf der einen und Wald auf der anderen Seite.
Wir haben diesmal allerdings den falschen Tag erwischt. Es ist zwar Montag, aber leider ein Feiertag und so ist hier alles mit Tages- und Wochenendausflüglern überfüllt. Das ganze Dorf ist voll. Wir wollen fast schon wider umkehren als uns ein Mopedfahrer anspricht und uns eine Unterkunft zu einem fairen Preis anbietet. Der einzige Haken – Kein Parkplatz, aber er hat nichts dagegen dass wir die Motorräder mit zu uns ins Zimmer stellen. Zuvor müssen wir nur eine 50cm Stufe und einen „rechten Winkel“ überwinden.
Am nächsten Tag hat sich der Feiertagsrummel verzogen und Salento gefällt uns gleich um einiges besser. Nach einer kleinen Migräne wollen wir eine nahegelegene Kaffe Finca besichtigen, aber als ich Suses Mopped aus unserem Zimmer schieben will ist mal wieder der Vorderreifen platt. Einer der alten Flicken ist porös geworden aber 300m weiter gibts natürlich einen Vulkanisator und den Vorderreifen kann Suse schon fast ganz allein wieder draufziehen.
Als wir mit etwas Verspätung los wollen springt die Kiste mal wieder ned an. Kein Zündfunke! Also Tank runter und alle Kabel nochmal ein und ausgesteckt und tatsächlich läuft die Möhre wieder. Nach einer kurzen Irrfahrt durchs Dorf – egal wen wir fragen, werden wir immer wieder in die entgegengesetzte Richtung geschickt – finden wir doch noch zur Kaffeeplantage.
Um zügig nach Medellin zu kommen nehmen wir ausnahmsweise die Panamericana und sind positiv überrascht. Die Straße führt schön kurvig durch ein grünes, kleines Gebirge und auch der Verkehr hält sich in Grenzen. Nur wenige „Raser“ und „Überholer“ gefährden uns und die Fahrlaune steigt stetig. Bei einem Abstecher nach Manizales zum Geld abheben, fühlen wir uns auf der zweispurigen Kurvenstrecke wie auf einer ligurischen Gebirksautobahen. Kolumbien ist von den Straßen und der Landschaft her sicherlich eines der besten Motorradreviere Südamerikas.
Wir machen trotz einer ewig roten Baustellenampel ordentlich Etappe und kurz vor Medellin freuen wir uns mal wieder, mit Motorrädern unterwegs zu sein. Der Stau, den ein in einer Kehre liegengebliebener Sattelschlepper verursacht ist sicher 10km lang aber für uns ist das kein Hindernis. In Medellin sind wir mit Mike verabredet, der in Kolumbien Motorradreisen veranstaltet und uns zu sich nach Hause eingeladen hat. Medellin selbst besichtigen wir am nächsten Tag. Es ist Blumenfest, aber trotz eifriger Suche können wir davon nichts finden. Was wir finden, ist eine ganz normale moderne Großstadt ohne besonderen Charme. Lange hält es uns hier nicht. Heidi und Bernd sind mittlerweile in Venezuela und die beiden versuchen wir seit Ecuador noch einmal einzuholen. Die zweitägige Querung führt uns aus dem angenehmen Gebirge in die heiße Tiefebene des Rio Magdalena wo wir knapp vor Einbruch der Dunkelheit an einem Truck Stop nächtigen und uns bei drückender Hitze mit Bier und Burgern stärken.
Am nächsten Morgen schüttet es wie aus Kübeln. Wir warten ab und sehen zu wie das Wasser auf dem Parkplatz immer weiter steigt. Als der Regen irgendwann nachlässt, quälen wir uns in unsere Regenklamotten und nach wenigen Kilometern lassen wir die Wolke hinter uns. Zuerst geht es langweilig immer geradeaus, rechts und links gesäumt von saftigen grünen Wiesen und bizarren Grasbuckeln, dann kommen wir wieder ins Gebirge und zu allem Überfluss fängt es wieder an zu schütten. Nachdem ein Übel selten allein kommt, will einfach keine Unterkunft kommen und wir fahren bei Eiseskälte und Dunkelheit fast eine Stunde die Route 66 entlang, bis wir endlich ein Zimmer für die Nacht finden. Es ist allerdings so ungemütlich kalt und zugig, daß ich mir sogar meinen Schlafsack aus dem Packsack hole um etwas warm zu werden.
Am nächsten morgen ist es nurnoch ein Katzensprung zur Grenze nach Venezuela. Wir brauchen allerdings ewig, da nur zwei der Schalter geöffnet haben und auch beim Zoll müssen wir lange warten. Wir wissen überhaupt nicht worauf, es steht niemand an und wir wollen nur unsere Fahrzeug-Einreise-Dokumente abgeben. Als ich ärgerlich werden und schon einfach so das Land verlassen will kommt Bewegung in die Sache. Wir bekommen eine Kopie unserer ausgestempelten Einfuhrpapiere und dürfen endlich ausreisen.