Dez 232018
 

Inzwischen kann sich Axel wieder gefahrlos weiter als 2 Meter vom Klo entfernen, also wollen wir uns mal wieder auf die Moppeds setzen. Zwar leiden wir beide grad ein wenig unter Reisemüdigkeit, aber wir wollen auch eins unserer Hauptreiseziele – Nepal – endlich näher erkunden. Bei Nepal denkt man ja eigentlich hauptsächlich an den Himalaya mit seinen zig Sieben- und Achttausendern und an wochenlange Trekkingtouren. Ganz im Süden zieht sich aber die nordindische Tiefebene entlang, mit tropischen Temperaturen auf nur rund 150-300 m über dem Meer. Bis vor wenigen Jahren konnte man in Ost-Westrichtung das Land nur in jener Tiefebene durchqueren, eine Straße weiter nördlich gab es nicht. Unser Haupt-Reisetipp-Geber für Nepal Otto meinte nun aber, dass der neue „Midhill-Highway“ bis Pokhara durchgehend befahrbar sein müsste.

Dieser Highway führt – wie der Name schon sagt – durch eine dem Himalaya vorgelagerte Mittelgebirgskette und könnte für uns doch eine nette Alternative zur großen Hauptstraße durch das heiße Tiefland sein. Viele Informationen zu dieser Straße finden wir im Netz nicht, lediglich auf einer Seite der Regierung läuft sie unter „in Planung“. Hm?! Unsere Papierkarten zeigen sie zwar nur als Fußpfad, auf der Open Streetmap Karte ist aber zumindest ein Weg eingezeichnet, auch Tante Google behauptet sie zu kennen. Auf eine Umfrage in mehreren Nepalgruppen auf FB meldet sich immerhin ein Radfahrer, der die Strecke letztes Jahr bewältigt hat. Zwar berichtet er von reichlich Matschstellen und einigen Wasserdurchfahrten, aber erstens war er in der beginnenden Regenzeit unterwegs, wir dagegen in der trockensten Zeit des Jahres und zweitens haben Fahrradfahrer bei sowas ja nochmal mehr zu kämpfen als wir mit den Motorrädern. Daher beschließen wir, das Abenteuer trotzdem zu wagen. Okay okay, ich wars ganz allein!

 
Zunächst geht es aber noch sehr gechillt auf Teer bis zum eigentlichen Einstieg. Erstmal decken wir uns zum ersten Mal seit langem wieder mit Wasser und Nahrungsmitteln für mehrere Tage ein, auf ein flächendeckendes Netz von Essensbüdchen und Hotels stellen wir uns mal lieber nicht ein. Dann schlängeln wir uns auf Teer und ehemaligem Teer durch kurvige Hügel und Wälder gen Norden. Die Temperaturen sind angenehm, Verkehr fast nicht vorhanden, so kann es bleiben. Allerdings befinden wir uns noch auf der „Hauptstraße“ Richtung Jumla.  Aber auch nach der Abzweigung nach Osten auf den Zubringer ändert sich erstmal nicht viel, die Straße ist zwar schmaler, dafür relativ frisch geteert. Allmählich wird es spät und wir suchen nach einer Übernachtungsmöglichkeit. Das gestaltet sich allerdings schwieriger als erwartet. Es ist Diwali bzw Tihar, das Lichterfest, einer der höchsten Feiertage des Jahres und die spärlichen Unterkünfte sind entweder wirklich ausgebucht oder die Betreiber ham heut keinen Bock. Eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang entdeckt Axel einen Feldweg, der recht steil zu einem möglichen Campingspot am Flussufer hinunterführt, mir grauts schon vom bloßen Blick abwärts. Um die Möglichkeiten zu Fuß zu erkunden ist der Axel allerdings zu faul, so dass er wie üblich sein Mopped bemüht, während ich lieber oben warte. Sollte der Platz was taugen will der Axel von unten winken damit ich nachkomm. Zum Glück haben wir diesmal tatsächlich eine entsprechende Kommunikation ausgemacht, sonst hätte ich das Hupen, das gleich darauf ertönt, vielleicht als Aufforderung zu folgen missverstanden. So renn ich nur runter um zu schauen was passiert ist. Axels Mopped liegt halb kopfüber in einer der tief ausgefahrenen Feldweg-Rinnen, er steht zum Glück daneben, er war wohl auf dem losen Geröll mit dem Vorderrad weggerutscht. Axel führt also im Midhill-Umfall-Contest zunächst mit 1:0.
Nachdem wir das Mopped wieder aufgestellt haben, geht der Spaß aber erst richtig los. Den Feldweg weiter will Axel jetzt auch nimmer, außerdem weigere ich mich strikt diesen Weg zu fahren. Also muss das Mopped irgendwie umgedreht werden, ist allerdings genauso lang wie der Feldweg breit, dieser ist wie erwähnt tief ausgefahren und daneben geht es steil bergauf bzw. bergab. Kurz gesagt: Axel kann auch nicht überall umdrehen und es dauert mal gschwind ne halbe Stunde, es ist fast dunkel und wir beide sind durchgeschwitzt, bis wir wieder oben an der Straße sind. Wir fahren zwar oberhalb eines Flusses und an zig Terrassenfeldern entlang, aber weitere Feldwege entdecken wir keine. Offensichtlich ist hier Feldarbeit wirklich noch reine Handarbeit, Maschinen kommen auf diese Felder jedenfalls keine. Inzwischen ist es endgültig Nacht, die Suche nach Wildzeltplätzen damit unmöglich, also hoffen wir doch noch auf ein Guesthouse. Auch in den nächsten Dörfern findet sich lange nichts, und wir kommen uns schon vor wie Maria und Joseph, so wie wir überall abgewiesen werden. Besonders passend ist dieser Vergleich, weil tatsächlich sowas wie Weihnachtsstimmung aufkommt. Die Straßen sind menschenleer und überall leuchten Kerzen. Richtig besinnlich wie wir so im dunkeln von Dorf zu Dorf fahren und es überall leuchtet.

In einem etwas größeres „Städtchen“ ergattern wir dann doch noch für kleines Geld ein winziges schmutziges Zimmerchen. Das Belohnungsbier ist zwar teurer als das Zimmer, darf aber trotzdem nicht fehlen. Auf den Straßen ist ganz schön was los, kleine und große Grüppchen ziehen zur Musik tanzend herum und feiern Diwali. Wir gesellen uns dazu, wollen eigentlich nur von außen ein paar Fotos der Feiernden und der Festdeko schießen. Kaum haben uns die Tänzer aber entdeckt, werden wir in den Kreis gezogen und müssen fleißig mittanzen, man lässt uns kaum noch gehen. Wir Weißbrote scheinen in dieser halbwegs abgelegenen Gegend noch eine ziemliche Attraktion zu sein 🙂

 

Am nächsten Morgen wars das dann mit Teer, aber es führt eine super befestigte Schotterstraße weiter am Fluss entlang. Grad will ich mich nach ein paar km selber dafür schelten, dass ich mir schon wieder zu viele Sorgen über den Straßenzustand gemacht habe als es dann doch noch los geht. Wir stehen vor schon während dem Bau halb verrosteten Brückenpfeilern und sehen nicht wo es weitergeht. Nachdem wir nochmal hin und her gefahren sind, entdecken wir neben der unfertigen Brücke doch noch die Abfahrt zur Furt. Na gut, eine Flussdurchfahrt ist kein Beinbruch, auch wenn sie lang und holprig aussieht und um die Kurve geht. Wir überleben sie auch tatsächlich, aber im Anschluss wird klar, dass am Fluss die „Ausbaustrecke“ geendet hat. Jetzt wirds felsig und damit holprig, immer wieder haben andere Fahrzeuge tiefe Wellen in die Straße gefräst. Nach einer Kurve ist erstmal Schluss: Zwei Reisebusse blockieren die Straße, am vorderen ist eine Blattfeder gebrochen und muss getauscht werden. Ich frag mich eh, wie die Busse über die enge, kurvige, steile und „leicht“ unebene Straße hierher gekommen sind. Wir setzen uns an den Straßenrand und warten. So wie die Busse stehen, ist kein Vorbeikommen. Nach gut einer Stunde sind die Reparaturarbeiten immernoch nicht viel weiter aber der Fahrer des hinteren Busses hat ein Einsehen und fährt ihn 20cm zur Seite, jetzt kommt man mit dem Mopped dran vorbei, wenn man schwindelfrei genug ist. Axel darf das gleich 2 Mal üben 🙂

Vor uns ist die Straße jetzt jedenfalls frei. Nur schnell voran kommen wir trotzdem nicht. Bis jetzt war da wenigstens fester Untergrund, nun ändert sich das immer öfter: Jetzt liegt da eine TIEFE Schicht weiches Pulver oben drauf, sieht aus wie Sand, grrrr. Zum Glück verhält er sich aber nicht ganz so, deswegen taufe ich das Zeug Staub und behaupte für mich, dass es kein Sand ist und man deswegen drauf -oder besser: durch – fahren kann. Auf ebenen Strecken funktioniert das halbwegs, nur als es dann steil bergab geht und dort wieder die hässlichen tiefen Wellen im Untergrund auftauchen, steht es plötzlich 1:1 im Umfall-Contest.
 
Es wird und wird nicht besser, ab und zu nur begegnen wir Einheimischen, die die Strecke zu zweit oder zu dritt auf ihren 100 Kubik-Maschinchen entlang tuckern. Ich find das deprimierend. Nach einer weiteren zum Glück halbwegs flachen aber dafür für meine Verhältnisse lange Flussdurchfahrt (zum Glück find ich nasse Füße bei den schweißtreibenden Temperaturen grad angenehm), finden wir tatsächlich ein paar Büdchen, wo wir uns mit Päckchen-Nudeln und ehrlich gesagt widerlicher Ersatz-Cola ein wenig stärken können. Es ist schon 2 Uhr nachmittags, wir haben gerade mal 35km geschafft und in gut 3 Stunden geht die Sonne schon wieder unter. Wir hatten uns zwar kein konkretes Ziel für heute gesetzt, aber wenn man bedenkt, dass der Abschnitt des Midhill-Highways, den wir uns vorgenommen haben, fast 300km lang ist, kann man nur hoffen, dass es besser wird. Wird es aber nicht.

Nach weiterem Auf und Ab mit viel Sand – äh Staub! – und Gerumpel, bei dem Axel auf 2:1 erhöht, stehen wir vor einem echten Hindernis: Dieser Fluss hat den Namen verdient, der direkte Weg hinüber ist so tief, da würden die Moppeds einfach weg schwimmen. Die Furt führt erstmal 50m durch den Fluss bergauf, dann muss man scharf links abbiegen und durch „nur“ knietiefes Wasser (falls man denn die richtige Spur erwischt) über kindskopfgroße Felsen den Fluss auf sicher 30, 40 Meter durchqueren. So zeigt es uns jedenfalls ein an dieser Furt wohnender bierbäuchiger Mann. Aaaaalter. Er erzählt uns, dass er schon seit 10 Jahren täglich mehrmals anderen Leuten das Mopped rüberfährt, ob er auch unsere Motorräder rüberbringen soll? Obwohl das verlockend klingt, lassen wir ihn lieber nicht dran, unsere im Vergleich fetten Dinger wiegen fast das Doppelte wie die einheimischen Moppeds und sind auch wesentlich höher. In der Zwischenzeit sind schon mehrere Moppeds vorbeigekommen, deren Überfahrt wir beobachten konnten. So richtig spaßig sieht das nicht aus, wie die Jungs in Flipflops sich da durchkämpfen. Hilft aber alles nichts, zurück wollen wir auch nicht mehr. Also latsch ich mit der gesammelten Fotoausrüstung schonmal n Stück flussaufwärts, während sich Axel auf die erste Überfahrt seelisch vorbereitet. Gut dokumentiert schafft er das erste Stück noch halbwegs elegant, nach der „Abbiegung“ wirds haarig, er verpasst die „gute“ Spur und schafft es nur mit Glück, einigen Zwischenstops und intensivem Beineinsatz auf die andere Seite. Jetzt bin ich dran. Zu meinem großen Glück nur zu Fuß, ich begegne Axel mitten im Fluss, er muss ja auch noch mein Motorrad rüberfahren. Schon zu Fuß hab ich meine liebe Müh‘ zumal ich ja alle Kameras dabei habe und wirklich wirklich nicht hinfallen will. Drüben stell ich dann die gesammelte Elektronik auf, damit wir Axels zweiten Versuch auch von dieser Seite in Bild und Ton festhalten können. Tatsächlich klappt es diesmal etwas besser und mit nur 2, 3 Abwürgern schafft er meine Suzi rüber.

Jetzt ist es endgültig vorbei mit umdrehen! Bald darauf erreichen wir ein Dorf, ob wir uns jetzt Hoffnungen auf Besserung machen können? Erstmal nicht, mein Motor geht in ner betonierten Steilkehre mitten im Dorf aus und ich schaffe den Ausgleich auf 2:2. Wenigstens finden wir heute noch ausreichend lang vor Sonnenuntergang nen Zeltplatz am Flussufer, zu dem ein befahrbarer Feldweg hinunter führt und wo wir sogar genug Feuerholz für ein Schuh-Trocken-Feuer sammeln können. Ganze 65km haben wir heute in über 8 Stunden geschafft.

Am nächsten Morgen geh ich gleich auf dem Feldweg rauf zur Straße mit 3:2 in Führung, so fängt der Tag gut an! Die Straße ist jetzt aber tatsächlich in etwas besserem Zustand, hin und wieder kommen wir durch Baustellen, wo sie wohl gerade befestigt wird. An einer noch nicht so optimalen Stelle, steil bergauf und mit tiefen Wellen, die stark an gestern erinnert, kann Axel noch auf den 3:3 Endstand ausgleichen, bevor es die letzten 10km bis Musikot ganz passabel den Berg hoch geht. Gestern Abend noch haben wir beschlossen, das Experiment Midhill-Highway abzubrechen, ab Musikot führt eine, auf der Karte etwas dicker eingezeichnete Straße zurück ins Tiefland. Wenn wir den Schnitt von gestern auf der ganzen Strecke halten, würden wir unterwegs verdursten oder verhungern.
Heute ist anscheinend noch ein weiterer hoher Feiertag des insgesamt 7-tägigen Diwali-Fests, so dass wir im nicht ganz kleinen Musikot ganz schön suchen müssen, bis wir eine geöffnete Dal-Bhat-Bude finden, können dann aber frisch gestärkt gen Süden aufbrechen. Und was sehen da meine müden Augen: Teer! Zumindest mal einer gewesen, yippieh! Der Slalom um die Schlaglöcher lässt dann zwar auch keine hohen Geschwindigkeiten zu, aber trotzdem fährt es sich so gleich viel geschmeidiger und wir können unseren Fahrschnitt auf 20km/h verdoppeln. Knapp 180 liegen noch vor uns, bis wir die Hauptstraße wieder erreichen, das ist an einem Tag nicht zu schaffen. Daher suchen wir uns nochmal einen Zeltplatz direkt neben der Straße am Bach, leider lang nicht so hübsch wie der letzte, dafür um so besser von der Straße einsehbar. Das beschert uns reichlich Besuch, der uns von der Straßenbrüstung aus beobachtet und einen besonders penetranter Zuschauer der uns, als wir gerade das Zelt aufbauen wollen darauf hinweist, dass diese Stelle aber sehr „dangerous“ sei. Was genau so gefährlich sein soll, bekommen wir aber aufgrund der Sprachbarriere nicht wirklich heraus und beschließen, das einfach mal zu ignorieren. Hochwasser erscheint uns um die Jahreszeit recht unwahrscheinlich.

 
 

Ganz so heftig hatten wir uns den Midhill-Highway wirklich nicht vorgestellt, sonst hätten wir uns den Versuch wahrscheinlich gleich gespart. Hübsch war es da trotzdem, malerische kleine Dörfer verteilen sich entlang der Flüsse, überall sind an den mehr oder weniger steilen Hängen Terrassenfelder angelegt. Wer weiß, vielleicht wäre die Straße ab Musikot nach Osten auch schon wesentlich besser ausgebaut, aber nach nicht einmal 100km waren wir einfach zu geschafft, um hier noch weiter zu experimentieren. Würd mich nicht wundern wenn wir die ersten Motorradreisenden auf dieser Strecke gewesen wären.

 

  2 Antworten zu “Nepal – ab durch die Midhills”

  1. Bro my name is surya ..we had met on the way in chaurjhari..there up u have clicked our photos of me and my fat friends …good job

  2. Hallo ihr zwei, Respekt vor euerem Mut. Danke für die Bilder und Berichte.

    Grüße

    Larry

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