Nov 032018
 

Da der Leh – Manali Highway nach dem schweren Unwetter von vergangener Woche nach wie vor unpassierbar ist, müssen wir noch etwas Zeit schinden und beschließen einen Abstecher in das ehemalige Königreich Zanskar zu machen. Da die Zufahrt zum Tal nur wenige Monate im Jahr möglich ist und zudem über eine 250km lange holprige Piste führt verirren sich bislang nur wenige Touristen in dieses spärlich besiedelte, tibetisch geprägte Hochgebirgstal.
Kaum haben wir das Getümmel in Kargil hinter uns gebracht befinden wir uns im idyllischen, langsam herbstlich gefärbten Surutal. Wir sind von der fast neuen Straße überrascht, haben wir doch Schlimmstes befürchtet. Schnell vorwärts kommen wir trotzdem nicht, da ich alle paar Kurven wieder anhalte um Bilder zu knipsen.


Allzulang währt die Freude allerdings nicht. Nach gerade mal drei Stunden hört die Straße kurz vor einem kleinen Ort schlagartig auf und wir müssen uns erst einmal orientieren, ob wir überhaupt noch richtig sind. Unser GPS zeigt zwar auf der anderen Talseite ebenfalls eine zweite Straße an, aber die Abzweigung haben wir wohl verpasst und ob die Alternative besser ist? Also erstmal weiter. Flott ist anders, aber wenigstens ist hier kein Verkehr mehr. Nur hin und wieder steht ein Esel im Weg. Die Zweifel mehren sich, ob wir tatsächlich richtig sind. Unten im Tal sehen wir einige Ortschaften, aber die Geröllserpentinen die hin und wieder hinunter führen würden, können uns nicht dazu verleiten, unsere immer schlechter werdende Route zu verlassen. Hunger hätten wir inzwischen auch, aber seit mittlerweile knapp einer Stunde sind wir an keinem einzigen Haus mehr vorbeigekommen. Da wir in einigen Berichten von zahlreichen Futterbuden auf dem ersten Teil der Strecke gelesen hatten, haben wir geschickterweise auch nichts zum Essen mitgenommen. Wär‘ eh nicht so einfach gewesen etwas zu finden. Das Fladenbrot kann man eigentlich nur frisch gut essen und außer Chips  und Keksen gibt es in den kleinen Läden nicht viel. Unsre Hoffnung ruht auf der nächsten Ortschaft, aber bei unsrer Geschwindigkeit – von Geschwindigkeit kann man eigentlich gar nicht sprechen, aber Gelangsamkeit klingt irgendwie auch nicht richtig – brauchen wir jedenfalls noch eine ganze Weile bis zum Ort, in dem es dann, welche Überraschung – natürlich weder ein „Restaurant“, noch einen „Supermarkt“ gibt. Kaum ein Viertel Stündchen später haben wir aber dann doch noch Glück und ergattern in einem kleinen Cafe mit Gletscherblick ein Omlette. Hatten wir zwar schon zum Frühstück – seit Wochen gibt es Omlette zum Frühstück – aber besser als nix. Alternativ hätt es noch Maggi-Instant-Nudeln gegeben. Noch einen Milchtee und ein Schwätzchen mit den neugierigen einheimischen Gästen und weiter geht es.

Das Tal neigt sich dem Ende und der erste Pass ist erreicht. Die „Straße“ ist grässlich holprig und selten mal schalten wir in den zweiten Gang. Durch den frühen ersten Schnee sind die umliegenden Gipfel frisch gepudert und so erwarten uns alle paar Kurven neue, überwältigende Blicke auf die gigantische Bergkulisse.
Oben am Pass treffen wir auf zwei Enfield Fahrer, die zu zweit auf einem Motorrad ebenfalls nach Zanskar unterwegs sind. Beachtlich was diese Moppeds so schaffen, ohne auseinander zu fallen und auch beachtlich was sich die Inder so zutrauen und mit welcher Ausrüstung sie unterwegs sind.

Die einzige Übernachtungsmöglichkeit auf der Strecke in Rangdum lassen wir links liegen. Wir haben ja ein Zelt dabei, schon lange nicht mehr gezeltet und auch keine Lust mehr auf die ewig siffigen indischen Unterkünfte mit ihren ungewaschenen Bettlaken und dreckigen Badezimmern. Bei strahlendem Sonnenschein ist es überraschend warm und noch haben wir eine ganze Weile Tageslicht, das wir nutzen wollen um noch ein paar Kilometer zu machen. Obwohl wir schon nicht schnell sind werden wir aber jetzt auch noch zusätzlich ausgebremst. Immer wieder werden wir von langsamen Militär-LKW behindert. Truppentransporter und Tanklaster mit Trinkwasser „stehen“ uns immer wieder im Weg rum. Gar nicht so einfach, die auf den schmalen Pisten zu überholen. Wenn es mal breit genug wäre fahren die Laster meist einen unberechenbaren Zick-zack-Kurs um Schlaglöchern auszuweichen. Da hilft nur geduldig hinterherfahren, hupen, warten bis man zur Kenntnis genommen und an einer „Ausweichstelle“ vorbeigewunken wird. Einfach so vorbeifahren wäre tödlich. Und kaum hat man dann so einen Laster überholt kommt natürlich eine Stelle die man unbedingt fotografieren will…. und schon geht das Spiel von neuem los. Überhaupt sind hier abartig viele Militärfahrzeuge unterwegs, was uns ein wenig überrascht, da die Grenzen zu Pakistan und China erst ein paar Täler und ein paar sehr hohe Berge weiter sind.
Als wir dann langsam ein Plätzchen für die Nacht bräuchten, wird uns das Militär dann doch lästig. Alle geeigneten Camp-Spots sind schon belegt: von Militärcamps. Ob gerade ein Manöver stattfindet oder ob das das normale Höhentraining ist – wir sind immerhin auf 4000m – können wir nicht herausfinden, aber richtig wohl fühlen wir uns so auch nicht gerade. Irgendwann haben wir aber keine Wahl mehr. Die Sonne ist bereits fast weg, als wir knapp neben der Straße, in Sichtweite zu drei Militärlagern dann doch noch eine geeignete Stelle für unser Zelt finden. Im Windschatten hinter dem Zelt erstmal einen heißen Tee gekocht und und in der Zwischenzeit schonmal Gemüse für den Abendessen-Eintopf geschnippelt. Jetzt heißt es schnell sein, aber durch die Höhe dauert es fast doppelt so lang wie normal, bis das Essen gar ist und so verziehen wir uns zum Futtern ins Zelt, da die Temperaturen bereits wenige Sekunden nach Sonnenuntergang auf Null Grad sinken.

Nach einer eiskalten Nacht warten wir morgens erst einmal, bis die Sonne es hinter den Bergen hervorgeschafft hat bevor wir uns aus dem Zelt trauen. Mit Müh und Not springt mein Mopped beim 3. Versuch an. Für einen weiteren wäre die Batterie zu schwach. Immerhin fühlen wir uns recht gut. Scheinbar sind wir trotz den fast zwei Wochen im Tiefland noch gut genug an die Höhe angepasst. Ein paar Militärlager später erreichen wir den Panzi La Pass.  Wir freuen uns jedenfalls mal wieder über unsre Heizgriffe während wir bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt durch die tief verschneite Landschaft hoppeln. Auch wenn mein Federbein nach wie vor nicht ganz dicht ist, dämpft es immer noch besser als das der überladenen Enfield-Fahrer, die wir hier oben mal wieder treffen. Aber solang was rausläuft ist ja auch noch was drin. Nach wie vor ist die Straße extrem steinig und selten schalten wir in den zweiten Gang. Kein Wunder, dass sich andere Reisende kaum hierher verirren.
Einige Serpentinen später, vorbei an imposanten Gletschern, erreichen wir das eigentliche Zanskar Tal. Die wenigen Dörfer, die wir hin und wieder passieren, schaun zwar nett aus, bieten aber wieder mal keinerlei für uns nutzbare Infrastruktur und so besteht unser Mittagessen heute aus einem Snickers am Wegesrand.

Wenige Kilometer vor Padum, der ehemaligen Hauptstadt, dann die nächste Überraschung. Eine nagelneue Straße. Aber wieder haben wir uns zu früh gefreut. Bereits nach wenigen Kurven eine Baustelle, die nicht mal für Motorräder passierbar ist. Die Baumaschinen füllen die gesamte Straßenbreite und die Umleitung über den angrenzenden Hang ist recht „interessant“, so dass ich ziemlich überrascht bin, als Suse hinter mir auftaucht. Ein zweites mal hätte ich die Passage auch nicht fahren wollen!

In Padum nehmen wir dann das erstbeste Homestay mit Parkmöglichkeit. Zwar sind weder Betten, Boden noch Badezimmer oder Handtücher sauber  – der Vormieter ist grad erst ausgezogen und die ganze Familie ist im Garten mit Kartoffel und Gemüseernte beschäftigt. Zum Ausgleich ist der Preis ist im Vergleich zu unserem Lonely Planet deutlich gestiegen, aber wir sind froh überhaupt angekommen zu sein und auch schon wieder ziemlich hungrig.

Nach einer weiteren erfrischenden Nacht in unserem unbeheizten Schlafzimmer wollen wir, ungeduscht wie wir sind, (das Wasser wäre zwar warm, aber bei 5 Grad im Badezimmer haben wir irgendwie keine rechte Lust) die Tibetischen Klöster und Ortschaften der Umgebung erkunden. Zuvor müssen wir aber erstmal tanken. Die einzige Tankstelle im Umkreis von 240 km hat aber leider geschlossen, da der Sprit alle ist. Der letzte Tanklaster war angeblich erst vorgestern da, so schnell wird also kein neuer erwartet und trotz aller Fragerei finden wir niemanden, der uns ein paar Liter verkaufen könnte. Die mageren Reserven, die eventuell vorhanden wären, werden alle für die Notstrom Generatoren benötigt, da die Stromversorgung hier nur Nachts für ein paar Stunden funktioniert. Frustriert geben wir unsere Suche auf. Selbst ein zweiter Weg zu der 8 km außerhalb liegenden Tankstelle würde unsere verbleibende Reichweite so weit einschränken, dass wir es nicht mehr zurück nach Kargil schaffen können. Selbst so dürfte es denkbar knapp werden, besonders, da mein Motorrad fast einen Liter mehr verbraucht als Suses. War wohl nix mit Fotos von Mönchen, malerischen Klöstern und  tibetisch geprägten Dörfern. Eigentlich wollten wir ja auch gestern noch gleich nach Ankunft tanken, aber die Tanke lag nicht auf dem Weg und irgendwie hatten wir das dann vergessen. Shit!
Also ziehen wir zu Fuß los und erkunden wenigsten Padum ein wenig.

Obwohl es auch am folgenden Tag noch keinen Sprit gibt, riskieren wir unser Glück und starten den Rückweg. Richtig Lust auf das Geholper haben wir nicht, aber die Fertigstellung der neuen Straße nach Leh verzögert sich schon seit zwei Jahren. Das wäre ja auch zu schön gewesen. Trotzdem kommen wir schneller vorwärts als auf dem Hinweg. Das Wetter ist nicht mehr ganz so schön und so sparen wir uns  die zahlreichen Fotostops. In Rangdum ist es mal wieder zu früh, wir können noch fast zwei Stunden fahren, bevor die Sonne untergeht und so belassen wir es bei einer kurzen Rauchpause. Vielleicht kommen wir ja noch von den 4000m runter und finden ein wärmeres Plätzchen. Erstaunlich schnell passieren wir unser GletscherBlick Cafe, aber leider gibt es in den kommenden Dörfern keine Unterkünfte. Die in unserem GPS eingezeichneten Hotels sind entweder nicht vorhanden oder haben geschlossen. Wir probieren die andere Talseite aus, aber auch hier ist die Straße nicht viel besser aber immerhin fängt hier der Teer ein paar Kilometer früher an und so erreichen wir bei Sonnenuntergang den letzten Checkpoint und die gute Teerstraße. Dort bekommen wir auch einen Tip für ein nahe gelegenes Guesthouse und direkt gegenüber ein paar Liter Sprit aus dem Kanister. Beide DRs laufen seit ein paar Kilometern auf Reserve und die nächste Tankstelle in Kargil ist noch weit.  Das „nahe gelegene“ Guesthouse ist dann doch noch fast 10 km entfernt und die Strecke dorthin zieht sich bei Dunkelheit beträchtlich, da wir bei jedem entgegenkommenden Fahrzeug geblendet links ranfahren müssen um nicht in ein Loch oder gegen ein Hindernis zu fahren.
Leider haben Bauarbeiter die Zufahrt zum Guesthouse aufgerissen. Ein tiefer Graben und Feldblöcke verwehren uns die Zufahrt und der Preis, der hier ausgerufen wird, schreckt uns zusätzlich.  Da fahren wir lieber nachts noch weiter. Auf dem Herweg haben wir in dieser Gegend reichlich Unterkünfte gesehen, aber bei Dunkelheit ist davon leider keine mehr zu entdecken. Fast eine Stunde später finden wir dann doch noch ein Hotel, aber außer ein zwei Gästen, die in Ihre Zimmer entschwinden und dem Koch in der Garage ist keine Rezeption zu finden und auch der Koch fühlt sich nicht für uns zuständig. Die Tür die er uns weist ist verrammelt. Da laut hupen auch nix hilft, verliere ich die Geduld und wir ziehen wieder ab. Immerhin sind wir mittlerweile so weit unten, dass es nicht mehr all zu kalt ist. Trotzdem sind wir froh, als wir irgendwann noch ein weiteres Hotel finden, das sogar noch ein Abendessen und eine warme Dusche für uns hat. Unglaublich, dass wir fast die ganze Strecke von Zanskar zurück an einem „Tag“ geschafft haben. Wären wir eher losgefahren hätten wir es auch noch bei Licht schaffen können, aber geplant hatten wir das ja eigentlich ganz anders…

 

 

 

 

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