Nach 100 Tagen ist es Zeit für eine erste Zwischenbilanz.
Bislang läuft alles nach Plan, die Verspätung vom Anfang haben wir mittlerweile reingeholt und sind sogar eine Woche eher als geplant nach Kirgistan eingereist.
Russland war für mich die bislang größte Überraschung. In die Mongolei wollte ich zwar schon lange, aber vor dem Weg dorthin hat es mir immer gegraut. Auf wochenlanges stupides Geradeausfahren hatte ich keine Lust. Die Fahrt durch Russland war zwar zwischendurch tatsächlich meditativ, aber nie langweilig und an den Birkenwäldern hab ich mich auch noch nicht satt gesehen. Die Mücken waren zwar teilweise lästig, aber auch nicht soooo schlimm und zum wild Zelten haben wir meistens recht schnell schöne Plätze gefunden. Mit der Polizei hatten wir keine Probleme und auch an den Grenzübergängen waren alle recht freundlich.
Die Mongolei war dann die zweite Überraschung. Meine Erwartungen an dieses Land waren recht hoch, da ist dann die Enttäuschung auch höher. Das Erste, was mir aufgefallen ist, waren die vielen Prius Hybriden. Wovon in Deutschland immer nur geredet wird, ist hier längst Realität. Fast die Hälfte der Autos fährt hier „umweltfreundlich“. Und auch die Mobilfunkabdeckung ist um Welten besser als in Deutschland. Zwar nicht überall LTE aber auch Stunden nach der letzten kleinen Ansiedlung zumindest noch Edge. Und das noch für fast kein Geld. Davon träumt man im Schwäbischen! „Mir könned alles außer…..!“ Abgesehen davon war die Mongolei landschaftlich kahlgefressen, aber es gab überraschend viele Bäume, so dass wir oft ein Lagerfeuer machen konnten. Mit dem Wetter hatten wir etwas Pech und mit was wir uns überhaupt nicht anfreunden konnten war das Essen. Auch ich als „Flexitarier“ hab‘ mich gefreut, als in Russland nicht mehr alles nach ranzigem fettigem Hammel geschmeckt hat.
Bereits ab Polen geht es uns eh viel zu gut, da in jedem kleinen Minimarkt gut gekühltes Bier erhältlich ist. In Deutschland nur an Tankstellen zu Phantasiepreisen möglich.
In Litauen dann die nächste Überraschung. Wir stehen vor einem kleinen Laden, verstauen gerade unsere Einkäufe, kommt ein Litauer aus dem Laden und drückt uns zwei Eistüten in die Hand. Einige Tage später in Russland, wir machen grad Picknick vor nem Supermarkt, drückt uns ein Russe eine Flasche Kwaß in die Hand und meint „russisches Cola, müsst ihr probieren!“. In der Mongolei dann, erst wollen uns Angler einen fast einen Meter langen Fisch schenken und wir müssen mit unsrer kleinen Pfanne argumentieren um abzulehnen, dann kommen die Camping Nachbarn und bringen uns einen Teller Essen, der bei uns allerdings recht verdauungsfördernd wirkt.
Erster Stop zum Mittagessen in Kasachstan, wir essen eine Kleinigkeit und als die Köchin erfragt, dass wir mit Zelt unterwegs sind, packt sie uns gleich noch ein gratis Abendessen ein. Und dann in Kirgistan, wir zelten am Top Ausflugsziel, versorgt uns unser Nachbar ebenfalls ganz selbstverständlich mit einer Schüssel Plov, Keksen und Obst.
Ausländerfeindlichkeit scheint auf unsrer bisherigen Route ein Fremdwort zu sein. In Deutschland bekommen dreckige, versiffte, stinkende Leute wie wir vorm Supermarkt höchstens ein „Verpiss dich du …….“ zu hören.
Und wie schon in Südamerika, haben wir wieder fast ein viertel Jahr gebraucht um aus dem wenig entspannten Urlaubs-Modus in den etwas ruhigeren Reise Modus zu kommen und auch mal ein paar Tage irgendwo Station zu machen, aber was einfach erschwerend dazugekommen ist, ist ein Termin. Am 3. September reisen wir nach China ein. Da haben wir schonmal keine hohen Erwartungen und können demzufolge nur positiv überrascht werden.
Alles in Allem können wir bislang sehr zufrieden sein, alles läuft wie am Schnürchen, die Moppeds machen keine Zicken, die Leute waren überall sehr freundlich und wir haben uns überall sicher gefühlt. Mittlerweile lassen wir die Motorräder auch öfter mal unbewacht vor einem Supermarkt stehen und gehen gemeinsam Einkaufen und beim Mittagessen lassen wir Helme und Jacken am Lenker hängen.
Ein paar kleine Ergänzungen von Suse:
Ich bin extra vor der Reise fast drei Jahre in die VHS zum Russisch-Kurs gegangen. Das war auf jeden Fall eine gute Idee, mit Englisch sind wir kaum mal weitergekommen. Leider hab ich nicht fleißig genug gelernt, so dass es eigentlich nur für oberflächliche Unterhaltungen gereicht hat. Axel ist wesentlich talentierter als ich, sich ganz ohne gemeinsame Sprache mit den Leuten zu unterhalten.
Fast noch mehr als in Südamerika werd ich hier gebauchpinselt, dass ich als Frau selber Motorrad fahre 🙂 Waaas, Du fährst selber? Aber Du bist doch so klein und dürr! Maaalaaaadziiii! (heißt so viel wie „geil!“) Auch in den eher konservativen Ländern haben gerade Männer ihre Bewunderung darüber ausgedrückt.
Auch nach 100 Tagen „on the road“ mach ich mir fast jeden Morgen Sorgen darüber, wie heute wohl die Straße wird, und das ärgert mich gewaltig! Ich bin immernoch in diesem „was wäre wenn was schief geht“- Pessimismus gefangen, obwohl bisher alles – wirklich alles – wunderbar geklappt hat. Ich hab nen tollen Mann dabei, der mir im Fall der Fälle aus allem raushilft, falls ich es je mal nicht selber schaff. Er hat ein großes Talent, mir im richtigen Moment Mut zu machen, wenn ich ihn brauche. Aber auch, mich anzukacken, wenn ich mich wieder was nicht trau, was ich schon 100 Mal gemacht habe. Für die nächsten 265 Tage wünsche ich mir mehr Selbstvertrauen und Gelassenheit, alles so zu nehmen wie es kommt – es wird schon gut sein, genau so wie es sein wird!
Und hey, ich freu mich drauf!!!
Statistik
Länder: 10
Km: ca. 18000 => 180km/Tag
getankt: ca. 910 (Axel) bzw. 760 (Suse) Liter
Ausgaben: ca. 4000€
Hallo Ihr Zwei,
wie schon beim letzten Mal bin ich eine fleißige Leserin Eurer Blogs. Man kann sich dann immer ein bissl fühlen, als ob man dabei wäre. Und dazu die traumhaften Bilder – da kommt schon Reisefieber auf.
Ich hoffe, dass es für Euch die nächsten 265 Tage so weiter geht, vielleicht mit ein bissl weniger Regen und Mücken…
Also weiterhin viel Spaß, tolle Eindrücke und vor allem bleibt gesund und unfallfrei !
Liebe Grüße
Claudia
Hallo Suse, Deine Lernecke im Cafe ist regelrecht verwaist. Wir hatten uns so richtig daran gewöhnt, dass Du Montags immer in Deiner Ecke gesessen bist und „Hausaufgaben“ gemacht hast, hast schon fast zum Inventar gehört. Schön zu hören, dass es nicht ganz umsonst war. Ich bin auch schon sehr gespannt auf eure weiteren Berichte.
Selbst habe ich dieses Jahr mit einem Freund „Rund Dänemark“ auf dem Fahrrad gemacht (Festland). Das waren etwa 1500 Km in drei Wochen, einschließlich Nord-Ostseekanal und Hamburg. Das ist natürlich nicht so ganz eure Kragenweite, es geht aber bei uns nicht anders, dafür haben wir jetzt schöne Beine und knackige Popos.