Zum Abschied zeigt sich die Mongolei noch mal von ihrer garstigen Seite, dunkle Wolken begleiten uns und es weht ein eisiger Wind. An einer Kontrollstelle vor der Grenze sollen wir noch einmal eine „Straßen-Nutzungsgebühr“ bezahlen, haben dazu aber überhaupt keine Lust, da wir diese bereits bei der Einreise gezahlt haben und zudem bei einigen Mautstationen erneut zur Kasse gebeten wurden. Wir zeigen unsere Quittungen und beharren darauf, weder russisches noch Mongolisches Geld zu haben, da wir unsere Reste vor wenigen Kilometern vertankt haben. Der Polizist, der hier angeblich auch öfter mal Versicherungen kontrolliert, hat heute scheinbar schon genug kassiert und so kommen wir unbehelligt bis zur Grenze. Dort ist mal wieder großes Durcheinander angesagt und wir werden hin und hergeschickt bis wir alle Ausreisestempel beisammen haben und das Land verlassen können.
Auf der russischen Seite werden wir noch mal komplett gefilzt und dürfen unsere Kisten auspacken, aber wir sind noch vergleichsweise schnell fertig. Zwei koreanische Motorradfahrer, die wir bereits unterwegs öfter getroffen haben, sind nach fast 5 Stunden gerade fertig geworden.
Kaum sind wir in Russland, wandelt sich schlagartig die Landschaft. Also die Landschaft ist eigentlich identisch, nur sind wir jetzt in keiner überweideten Wüste mehr, sondern von grünen Hügeln umgeben. So hab ich mir eigentlich die Mongolei vorgestellt!
Während Suse eine Kippe raucht, gehe ich kurz einkaufen und komme vollbeladen und begeistert zurück. Es gibt wieder Obst und Gemüse und im Cafe gegenüber vom Magazin genehmigen wir uns erstmal einen angeblich vegetarischen Borscht, mit nur ganz wenig Fleisch und einen Plow. Aber immerhin schmeckt nicht alles nach altem Hammel und ranziger Milch.
Die Straße kann auch wieder als solche bezeichnet werden und plötzlich macht auch das Motorradfahren wieder Spaß. Endlich kein Rumgehoppel mehr. Als i-Tüpfelchen finden wir noch einen netten Platz mit Aussicht und Feuerholz an einem Gebirgsbach und bleiben dort gleich mal eine 2. Nacht. Das gesammelte Holz muss ja noch weg.
Für das russische Altai hatten wir bereits im Vorfeld eine Woche eingeplant, aber da wir jetzt ein paar Tage eher dran sind, haben wir Zeit für noch ein paar Seitentäler mehr. Gleich den ersten Abstecher brechen wir am Ulaganski Pass ab. Uns fehlt ein Ziel, der Telezker See ist zu weit weg, auf Schotterholper haben wir keine Lust und so fahren wir erstmal weiter nach Westen. „Campingplätze“, die wir in Russland bisher nirgends gesehen haben, gibt es hier plötzlich alle paar Meter, aber da wir Lust auf eine Dusche haben, mieten wir uns ein Hüttchen. Dusche gibt es zwar auch hier keine, aber für den späten Abend bekommen wir noch einen freien Slot in der Banja, wo wir uns gehörig den Dreck aus den Poren schwitzen.
Den Abstecher ins Koksa Tal können wir uns natürlich nicht entgehen lassen. Lustige Ortsnamen ziehen uns immer an. Auch dieses Tal ist eine Sackgasse, auch wenn dies auf allen unseren Karten mal wieder anders eingezeichnet ist. Vor ein paar Jahren war die Strecke wohl mit Sportenduros für geübte Fahrer noch zu bewältigen, aber so suchen wir uns einen netten Platz am Fluss und freuen uns, dass bereits jemand ein Lagerfeuer für uns vorbereitet hat. Zumindest rauchen uns die Reste eines wahren Scheiterhaufens zur Begrüßung entgegen. Auch hier sammeln wir, gierig wie wir sind, wieder so viel Schwemmholz, dass es für einen zweiten Tag reicht und so müssen wir auch hier gezwungenermaßen einen Strandtag einlegen. Das mit dem gesammelten Holzvorrat erledigt sich allerdings fast von allein, als am 2. Tag kurz nach Mittag die Dorfjugend ihren Badestrand entert und ihr Feuer vom Vortag wieder in Besitz nimmt. Zu Anfang kann ich sie noch ausbremsen aber irgendwann werden es immer mehr „halbstarke“ Kinder und ich resigniere. Irgendwann werden sie sich schon wieder verziehen und dann sammeln wir halt neues Holz für den Abend und so lange mach ich halt einen Ausflug ins nächste Kaff und hol frisch gezapftes, in Flaschen abgefülltes kaltes Bier.
Am nächsten Tag zurück auf der Hauptstraße überrascht uns dann, natürlich kurz vor der Passhöhe ein fieses Gewitter. Irgendwie hatte ich gehofft, noch zwischen den schwarzen Wolken durchschlüpfen zu können, aber kurz vor der Passhöhe geht es so richtig los. Gegen Hagel sind unsere Motorradklamotten machtlos und so sind wir froh, dass wir uns an einer der Marktstände völlig durchnässt und durchfroren unterstellen können. Auf Zelten haben wir jetzt keine Lust mehr und nehmen in der nächsten Gostiniza das letzte Zimmer, die Besenkammer. Aber immerhin geht irgendwann der Gewitter geschädigte Strom wieder an, so dass wir noch duschen können und sogar Internet haben.
Der Abstecher ins Katun Tal schreckt uns dann zu Beginn fast ab. Es ist heiß und extrem touristisch. Nichts von der fälschlich erwarteten wildromantischen Einsamkeit. Wir fahren trotzdem weiter und meine Laune sinkt und sinkt. Ich hab Hunger, mir ist heiß und mein Handy geht schon wieder nicht. Ich bekomme seit Tagen kein Netz mehr, bzw. das Phone bucht sich nicht richtig ein. Die Simkarte funktioniert aber und so funktionieren wir unser „MP3 Player – Reserve Handy“ zum Hotspot um, leider halt nicht LTE fähig. Internet is so zwar wieder halbwegs da, aber aufhängen tut sich mein Drecksgerät trotzdem immer dann, wenn ich etwas nachschauen will. Bevorzugt wenn ich Koordinaten auf google maps nachschauen möchte und da das Scheißteil auch noch robust ist, geht es trotz allem durch die Gegend werfen einfach nicht kaputt. War das in Südamerika noch schön, ohne das ganze Technik-Geraffel. Alle paar Tage mal bei Wifi des Netbook rausgeholt und gut war. Der mühsam bei ioverlander rausgesuchte Platz erweist sich dann auch noch als Niete, also der Platz wär schon nett, aber dort tummelt sich schon ein ganzes Ferienlager und so fahren wir weiter und weiter. Heut will echt gar nichts gelingen. Irgendwann resignieren wir und stellen uns einfach neben ein paar russische Camper am Ufer. Sofort werden wir eingeladen. Besuch aus Deutschland ist auch grad da und natürlich wird uns reichlich Essen und Trinken aufgetischt. Trinken leider etwas zu reichlich. Suse schafft es rechtzeitig auf Bier umzusteigen, aber ich, naiv wie ich bin, versuche mitzuhalten. Die Feier am Abend ist phänomenal, der Katzenjammer am nächsten Tag auch und so müssen wir mal wieder einen Tag verlängern. Ich kann keinen Schritt machen, geschweige denn Motorrad fahren.
Ein letztes Tal fehlt uns noch und so kommen wir doch noch an den Telezkojer See. Ist auch touristisch, aber lang nicht so überlaufen wie das Katun Tal. Da das Wetter schmuddelig ist, nehmen wir uns ein Zimmer und verlassen dies auch den nächsten Tag nur zum Essen und Einkaufen, aktualisieren unseren Blog, waschen Wäsche und betreiben Datensicherung.
Die Strecke zu unserem nächsten Ziel ist dann, erstmals seit Tagen, recht langweilig. Dafür das Ziel um so weniger. Den Bike Post Black African in Biisk dürfen wir uns nicht entgehen lassen. Dort können Motorradfahrer kostenlos übernachten und es gibt eine Werkstatt, die gerne genutzt wird, um die Mongolei-Schäden, von denen wir zum Glück verschont geblieben sind, wieder in Ordnung zu bringen und so beschränken wir uns darauf Suses Steuerkettenspanner abzudichten, der just an diesem Tag gewaltig zu siffen begonnen hat.
Leider liegt das Altai, das unsere Erwartungen nicht enttäuscht hat, schon wieder hinter uns und die Reststrecke über Barnaul zur Kasachischen Grenze ist ziemlich langweilig. Nach einer mückenverseuchten Zwischenübernachtung verlassen wir – diesmal endgültig – Russland. Ein Land, an das wir keine großen Erwartungen hatten, das uns aber in guter Erinnerung bleiben wird.
Tolle Aufnahmen und tiefe Einblicke in verborgene Gegenden, besten Dank dafür! Haltet euch motiviert und gesund, freue mich auf kommende Eindrücke Liebe Grüsse aus Zürich
Christian